Weihnachten wie früher? 7


Ein Beitrag zur Weihnachts-Challenge 2016 von Karl Wergler* und Martin Perz

Früher war alles besser, gerade auch das Weihnachtsfest. So schreibt zum Beispiel Sabrina Hoffmann in der Huffington Post:

„Früher war Weihnachten noch Weihnachten. Ihr habt Stanniol-Lametta aufgehängt, obwohl es als gesundheitsschädlich galt. In deinem Adventskalender waren nur Schokoladenstückchen oder bunte Bilder. Du konntest es trotzdem nicht erwarten, jeden Tag ein neues Türchen zu öffnen. (…) Heute geht gar nichts ohne einen selbstgemachten Adventskalender mit 24 Geschenken, die jedes für sich schon als Geschenk für Heiligabend durchgehen könnten. (…) Spätestens Mitte November blinkt an den Häusern die Weihnachtsdeko. Die Leute statten sogar ihren Balkon mit Lichterketten aus, die sie selbst gar nicht sehen. Hauptsache der Nachbar merkt es. Und an den Fenstern klettern überall diese Gummi-Weihnachtsmänner hoch.“

Es ist in vielen Fällen verständlich, dass die Menschen mit Weihnachten, wie es sich heute darstellt, nicht ganz zufrieden sind. Doch das mit dem “Früher” ist so eine Sache. Wie war Weihnachten denn früher wirklich? Früher, sagen wir zum Beispiel vor 1635 Jahren?

Vor 1635 Jahren, also im Jahr 381 unserer Zeitrechnung, wurde auf dem Konzil von Konstantinopel das Datum des Christgeburtstagsfestes auf den 25. Dezember festgelegt. Die Wahl dieses Datums hatte durchaus pragmatische Gründe:

Der 25. Dezember war auch in anderen Religionen von Bedeutung. Der asiatische Mithraskult feierte an diesem Tag die Geburt des indischen Lichtgottes. Bei den Ägyptern wurde mit dem Isiskult die Geburt des Horus gefeiert. Die Römer begingen ihre Saturnalien, und die Germanen feierten Mittwinter, ein Toten- und zugleich Fruchtbarkeitsfest. In Rom wurden am 25. Dezember das ägyptische, das asiatische und auch das römische Fest prunkvoll begangen. Es erschien daher plausibel, das Weihnachtsfest auf diesen Tag zu legen.
Quelle: http://www.scientific.at/2009/roe_0951.htm

Wenn wir nun den Artikel von Sabrina Hoffmann in dieses Jahrhundert zurückversetzen, kommen wir möglicherweise auf folgende Aussagen von einem römischen Heiden:

„Früher waren die Saturnalien noch Saturnalien. Ihr habt Wein in vollen Zügen genossen. Beim Würfelspiel wechselten kleine Vermögen den Besitzer. Eure Sklaven wurden zu Herren, deren Diener ausnahmsweise ihr wart. (…) Dieses “Weihnachtsfest”, das seit einiger Zeit die Saturnalien ersetzt, ist nicht einmal mehr halb so lustig.“

Dieses Beispiel ist natürlich unhistorisch und frei erfunden, es sollte aber einen wesentlichen Punkt verdeutlichen: “Früher” ist ein dehnbarer Begriff. Weihnachten war früher natürlich anders. Sehr viel früher war es sehr viel anders. Dieses Fest in der Zeit des Winteranfangs ist einem ständigen Wandel unterworfen.

Wenn die Leute sentimental von “Weihnachten früher” schwelgen, meinen sie damit natürlich nicht so eine lange Zeit in der Vergangenheit, sondern meistens das Weihnachtsfest ihrer Kindheit vor ein paar Jahren oder Jahrzehnten. Hier möchten wir einen kleinen Anstoß zum Umdenken geben: Bleiben wir doch nicht in der Vergangenheit hängen. Worauf es ankommt ist das bevorstehende Weihnachtsfest in der Gegenwart. Ja, es ist teilweise überzogen von kommerzialisiertem Kitsch. Aber wir haben Vorstellungen, wie ein schönes Weihnachtsfest gelingen kann. Projizieren wir diese doch nicht auf ein romantisch verklärtes “Früher”, sondern holen wir es uns so gut es geht aktiv in die Gegenwart. Im Sinne von Frank Sinatra wünschen wir: Have yourself a merry little Christmas!

Karl Wergler* ist ein angehender Student und lebt derzeit in St. Pölten. Seine Hobbyfachgebiete beinhalten Geschichte, Politik, Ideologie und Ökologie.

Martin Perz ist Präsidiumsmitglied der Atheistischen Religionsgesellschaft.

Bildquelle: Christmas in Love von Kris de Curtis, CC-BY 2.0

*Name von der Redaktion geändert


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7 Gedanken zu “Weihnachten wie früher?

  • Nikolaus Bösch

    Ein schöner Beitrag, der zeigt, dass es vernünftig von den Christen war, zu Weihnachten nicht zu sagen: Wir feiern nicht, wir glauben ja nicht an euren doofen Mithras, sondern: Ah ja, um die Zeit der Wintersonnwende da hats was, da gehrt gefeiert. Dann soll da unser Christus geboren sein. Passt.

    Es zeigt aber auch schön, wie Religion ein kulturelles Phänomen ist, wo der Glaube und das übernatürliche nicht zwangsläufig die Hauptrolle spielen.

    Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass mit heute, dem 21. Dezember die Nächte zwar noch lang, die Tage kurz sind, aber sich die Tendenz ändert. in ziemlich genau einer halben Stunde hat die Sonne die Talsole durchschritten (bzw. die Erde den jeweiligen Punkt ihrer Umlaufbahn passiert…) und die Tage obwohl kurz werden wieder etwas länger. Der eigentliche Winter kommt erst noch, die Dunkelheit weicht.

    Auch wenn heute kein Feiertag ist kann man sich dieses Faktum ja bewusst machen. Vielleicht eine der zahlreichen auf youtube verfügbaren “Crash-Kurse” oder ähnliches zu Astronomie oder zur Wissenschaftsgeschichte genießen. Ich verweise an Carl Sagan und seinesgleichen.

    Danke Martin Perz und Lukas Kudelka für den Einstieg in die Weihnachts-Serie

  • T.M. Wanka

    Hi,

    Es sind hier zwei Themen behandelt: “Früher war alles besser” und das Bäumeschlachtfest. Beide haben an sich nichts miteinander zu tun.

    Ich feiere das Bäumeschlachtfest seit meinem 18. Lebensjahr nicht mehr. Warum auch. Es ist einer dieser Anlässe, wo man lediglich feiert, dass 12 Monate vergangen sind, seit man den Anlass zuletzt begangen hat. Das entbehrt jedweder Vernunft. Natürlich steht es jedem frei unvernünftig zu sein, warum nicht. Einen wirklichen Grund zu feiern gibt es aber nicht.

    Das wiederum scheint mir der Grund zu sein, warum man häufig feiert, dass 12 Monate vergangen sind, weil wir heutzutage zu wenig Feiernswertes leisten. Vor hundert Jahren oder mehr war es durchaus angebracht zu feiern, wenn ein Kind ein Jahr alt geworden ist, bei der damaligen Kindersterblichkeit, heutzutage ist das bei uns jedenfalls obsolet. Auch andere Dinge sind heute selbstverständlich, die früher nicht selbstverständlich waren, eine Automobil zu kaufen oder ein Haus oder eine Wohnung zu erwerben sind ja kaum mehr Anlässe zu feiern sondern nahezu alltäglich. Das man rechtzeitig vor dem Wintereinbruch alle Felder abgeerntet hat können auch nur mehr sehr wenige Menschen hierzulande feiern.

    Wer feiern will hat also kaum noch eine andere Wahl, als zu feiern, dass Zeit linear ist. Es geht uns (hier jedenfalls) zu gut.

    Damit sind wir bereits beim Früher, in dem alles besser war. Nicht alles, aber manches. Früher konnte ich mit meinem Hund in den Park gehen, am Eck meines Häuserblocks gab es noch eine Bankfiliale, und wenn ich dort rein ging durfte ich Zigaretten rauchen! Waren das schöne Zeiten!

    Früher haben die Eltern ihren Kindern noch Anstand eingebläut, entsprechend haben die Leute noch Anstand bewiesen und ihre fremdenfeindlichen Sätze mit “Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber …” eingeleitet! Aktuelle Wahlkampfslogans der FPÖ hätten noch zu allgemeiner Empörung und nicht zu Wahlerfolgen geführt. Und wer aktuelle Gesetze zur allgemeinen Überwachung der Bevölkerung wie sie z.B. das SPG vorsieht auch nur angedacht hätte wäre als “Nazi” mit nassen Fetzen aus der Stadt und vermutlich dem Land gejagt worden!

    Es war nicht alles besser, man nehme nur ein modernes Mobiltelefon (die Inkarnation des Kommunikators aus der Serie Raumschiff Enterprise der 1960er Jahre, bzw. als sprechender Computer der Serie Enterprise der 1980er Jahre), das hat oft mehr Ressourcen und Rechenleistung als einer der weltweit schnellsten Supercomputer der späten 1980er Jahre (Cray Y), das ist schon ein Vorteil. Aber was machen die Menschen damit? Berechnungen zur Erforschung von Krankheiten, Klimasimulationen, …? Nein, sie nerven ihre Mitmenschen indem sie Pokemon Go oder laute Musik spielen! Viele laufen durch die Straßen, den Blick starr auf den Mobiltelfonbildschirm gebannt und bekommen von ihrer Umgebung nichts mehr mit! Die würden an einer hübschen nackten Frau (oder Mann, je nach Präferenz) vorbeilaufen und es nicht einmal bemerken!

    In diesem ominösen Früher, von dem wir reden, habe ich mich oft mit Freunden unterhalten, über die Welt, wie man sie verbessert, die Revolution, die Gleichheit aller Menschen. Auch über hübsche Frauen. Und heute? Da reden wir über Pensionsvorsorge, Bandscheibenvorfälle und die letzte Prostatavorsorgeuntersuchung.

    Da sag mir noch einer, dass es nicht früher besser war. Vielleicht nicht alles, aber vieles oder zumindest manches.

    Zum Abschluss aber etwas ernsthafter: Das ist wohl so ein Generationending. Wenn man jung ist, sehnt man sich die Zukunft herbei, wenn man älter wird, trauert man der Vergangenheit nach, als man noch jung war und sich die Zukunft herbeisehnte, in der man nun lebt.

    LG Tom

    • wolfi

      hallo tom,

      nur als anmerkung zu verstehen: danke für deinen beitrag, ich fand ihn sehr interessant!
      und stimme in vielem zu…

      aber ich möchte gleich zu diesem anlass auf die app boinc hinweisen:
      mit dieser app kann man beim pc/laptop (win, mac und linux) im bildschirmschonermodus und auf dem android smartphone beim laden des handys für wissenschaftlichen berechnungen seine ressourcen zur verfügung stellen.
      themen der berechnungen sind zb molekülstrukturen/herzfunktionen (medizin), asteroiden/cern/milchstrasse/etc (physik), biologie, spiele…
      https://boinc.berkeley.edu/projects.php
      lg
      wolfi

    • Eosphoros

      Lieber TM Wanka!

      Aus dem Beitrag scheint eine gewisse Verbitterung herauszuklingen, was schade ist. Ich denke, wir hätten heute mehr zu feiern, als vor 100 Jahren. Da war nämlich Krieg. Leider ist jetzt auch Krieg, aber der damalige hat tatsähclich noch mehr Menschen ins Elend gestürzt.

      Was die Kindersterblichkeit anbelangt ist es ja eigentlich ein Grund zum Feiern, dass sich die Erwartungshaltungen so sehr verändert haben.

      Gerade wenn die objektiven Fakten besser werden, sollte man das dohc feiern? Vielleicht geht es dabei eher um eine zu abgeklärte, pessimistische Einstellung? Vielleicht feiert man gerade deswegen manche Feste nicht nach Anlass, sondern jährlich-regelmäßig.

      Jedes Jahr bietet auch die Gelegenheit sich zu freuen: Noch ein weiteres Jahr erlebt. Dankbarkeit aus der Rückschau, statt Sehnsucht. Und eine Lebenseinstellung, die mehr in der Gegenwart als in Zukunft und Vergangenheit orientiert ist. Das wären Ziele. Hehre und schwere ZIele für (fast) alle. Aber vielleicht ein besserer Leitfaden, als gar keiner?

      • T.M. Wanka

        Hi,

        ich bin ein nettes fröhliches Kerlchen. 😉

        Also Verbitterung kann ich da definitiv ausschließen, in gewissem Maße mag aber ob unserer Gesellschaft eine gewisse Resignation vorhanden sein. Sehr treffend finde ich aus den 1980er Jahren aus einem Lied der EAV (das heute aktueller scheint als je zuvor) eine Textzeile “… es ist zum Rean, dass die Leut ned gscheiter werdn …”.

        Das näher zu erläutern würde den Rahmen sprengen und passt nicht zum Thema.

        Was Du beschreibst ist für mich ein Grund zur Freude, das muss man nicht feiern. Schon gar nicht an einem beliebig festgesetzten Tag. Wenn Du etwas erreicht hast, dass Du feiern willst und mich einlädst, werde ich gerne mitfeiern. Wenn Du Geburtstag oder Hochzeitstag feierst, nunja, so schwer war es nicht, ein Jahr lang am Leben zu bleiben, und so furchtbar wird Deine Frau (oder Dein Mann) auch nicht sein, dass man es feiern müsste, dass Du ein Jahr “geschafft” hast. 😉

        Und gerade als Atheist sträube ich mich noch mehr, einen religiös motivierten Feiertag zu begehen, wir feiern nicht Jom Kippur, warum also Weihnachten? Gerade Weihnachten ist doch das Fest, wo unsere Mitmenschen von Kindesbeinen an für die Religion “gekauft” werden, im Sinne von “Wenn Du nicht an den lieben Gott glaubst, dann gibt es auch keine Weihnachtsgeschenke!”.

        Weihnachten ist meiner Ansicht nach schlimmer als Religionsunterricht in der Volksschule, weil Weihnachten dem Menschen in einer Zeit in der Kindheit, wo kritisches Denken nicht allzu ausgeprägt ist, über die Geschenke die Existenz eines “Gottes” wünschenswert erscheinen lässt. Das sorgt dafür, dass bei vielen Menschen die Existenz eines göttlichen Wesens positiv konnotiert ist, und das dermaßen tief im Unterbewusstsein eingegraben, dass es eine Selbstverständnis wird. Selbst wenn man dann als Erwachsener kein Katholik oder Christ ist, die Sicherheit, dass es da “etwas Höheres gibt” ist bei vielen vorhanden.

        LG Tom

        • Eosphoros

          Man könnte es auch als mentale Gymnasik, als mentale Übungen betrachten. Euer menschlicher Aufmerksamkeitsspeicher ist doch beschränkt, und der Alltag drängt immer wieder die größeren Fragen, die Zusammenhänge aus dem Fokus.

          Dann werkelt ihr von Tag zu Tag vor euch hin, und alles wird so selbstverständlich. Natürlich sterben keine kleinen Kinder, natürlich wird die Ernte eingebracht, natürlich kommt die Sonne nach dem Winter stärker zurück. Natürlich hat man eine/n Partner/in und natürlich ist das eine sehr anstrengende Person, die wegen irgendwas nörgelt, was im Haushalt grad wieder nicht passt …

          Wenn man die Ansprüche nur hoch genug schraubt, wird man immer das Gute selbstverständlich und das schlechte als wiedermal typisch wahrnehmen.

          Deswegen erscheint es recht sinnvoll, sich eine Ordnung zu geben, die einen erinnert, zwischendurch mal Pausen zu machen, und die schönen oder besonders bedeutsamen Seiten des Lebens zu betrachten.

          Jahrestage haben den Vorteil, dass sie zumindest einmal im Jahr begangen werden. Zumindest einmal im Jahr (und ein paar Tage vorher vielleicht, und ein paar Tage nachher) erinnern sie daran, dass etwas vielleicht nicht so selbstverständlich ist, und dass es, bei aller scheinbaren selbstverständlichkeit gut ist, dass man es erreicht hat.

          Das Feiern kann helfen, die Freude bewusst zu machen.

          Und überhaupt: Warum sollte man nach Gründen suchen NICHT zu feiern?

          Das sind so einige meiner Gedanken zum Feiern.

  • Hermann Geyer

    Danke, Tom, für diesen Gedanken deines letzten Kommentars oben, den halte ich für sehr stichhaltig. Denn je jünger die Kinder “bestochen” werden, desto mehr wirkt es klarerweise.
    “Weihnachten ist meiner Ansicht nach schlimmer als Religionsunterricht in der Volksschule, weil Weihnachten dem Menschen in einer Zeit in der Kindheit, wo kritisches Denken nicht allzu ausgeprägt ist, über die Geschenke die Existenz eines „Gottes“ wünschenswert erscheinen lässt. Das sorgt dafür, dass bei vielen Menschen die Existenz eines göttlichen Wesens positiv konnotiert ist, und das dermaßen tief im Unterbewusstsein eingegraben, dass es eine Selbstverständnis wird. Selbst wenn man dann als Erwachsener kein Katholik oder Christ ist, die Sicherheit, dass es da „etwas Höheres gibt“ ist bei vielen vorhanden.”