Befragungen zur Bundespräsidentschaftswahl 2016: Dr. Andreas Khol


In diesem Teil unserer Serie zur Bundespräsidentschaftswahl 2016 befragten wir Dr. Andreas Khol. Andreas Khol ist Politiker der ÖVP und Jurist mit Schwerpunkt auf Verfassungsrecht. Er war von 2002 bis 2006 Präsident des Nationalrats. Am 10. Jänner 2016 präsentierte ihn die ÖVP als Kandidaten für die Bundespräsidentschaftswahl 2016.

Andreas Khol

Andreas Khol

Fragen und Antworten von Andreas Khol

1. Zu Beginn stellen wir die Gretchenfrage: Wie halten Sie es mit der Religion? Wie weit beeinflusst Religion bzw. beeinflussen Religionen Ihr politisches Denken und Handeln?

Ich bin gläubiger Mensch und bekennender Katholik. Der Glaube hilft mir bei der persönlichen Lebensgestaltung, er gibt einem eine Wegleitung, er ist sozusagen ein Obdach der Seele.

Es ist jedoch klar, dass Religion meine private, persönliche Entscheidung ist. So wie ich niemand anderem jemals diese Entscheidung aufdrängen würde, so erwarte ich selbst, in meinem Glauben respektiert zu werden. Wir leben in einer pluralistischen Gesellschaft und gerade als Bundespräsident besteht die wichtigste Aufgabe darin, Menschen unterschiedlicher (religiöser, politischer, etc.) Anschauungen zu verbinden, als Brückenbauer zu wirken. Ich lebe das tagtäglich in meiner eigenen Familie. Einer meiner Schwiegersöhne ist Hindu, meine Schwiegertochter Muslimin, sie alle sind unersetzbarer Teil der Familie. Ich bin davon überzeugt: Nur wenn man als Privatperson weiß, wer man ist, woher man kommt und woran man glaubt bzw. nicht glaubt, kann man auch in der Politik in einen verständnisvollen und für alle gewinnbringenden Dialog mit jenen eintreten, die anderer Überzeugung sind.

2. Was assoziieren Sie im Allgemeinen mit dem Begriff „Atheismus“? Haben Sie einen persönlichen Bezug zu atheistischen Weltanschauungen (z.B. über eigene Überzeugungen oder durch Mitmenschen)?

Für mich persönlich ist der Glaube an Gott wesentlich. Er ist wichtige Orientierungshilfe und Ratgeber, um die kleinen Herausforderungen des Alltags zu meistern und auf die großen Fragen des Lebens und Zusammenlebens eine Antwort zu finden. Viele Menschen haben hier einen grundlegend anderen Zugang. Sie finden gerade in der Leugnung einer göttlichen Entität eine Lehre und Überzeugung, die für sie diese Orientierungshilfe bietet. Ich akzeptiere und respektiere das voll und ganz, auch dieser Zugang hat seinen Platz in einer pluralistischen Gesellschaft.

3. Es ist eine Tatsache, dass in den Schriften der monotheistischen Religionen Unglaube und speziell auch Atheismus negativ, teilweise auch herabwürdigend dargestellt werden. Können Sie nachempfinden, dass wir hinsichtlich dieser Tatsache den speziellen Schutz der Religionen durch den §188 des Strafgesetzbuches als äußerst fragwürdig ansehen? Und haben Sie eine Idee, wie dieser unfaire Zustand bereinigt werden könnte?

Der Paragraph zur Herabwürdigung religiöser Lehren ist wesentlicher Bestandteil, um den Glauben vieler Menschen in unserem Land und ihre religiösen Gefühle und Empfindungen zu schützen. Gerade in den vergangenen Jahren wurde uns seine Bedeutung angesichts politisch instrumentalisierter Hetze gegen religiöse Minderheiten vor Augen geführt. Ich verurteile solche Beleidigungen und Hetzen aufs Entschlossenste, gleich gegen welche Religionsgemeinschaften oder Glaubenslehren sie gerichtet sind.

4. Wie stehen Sie zu folgenden in Österreich gängigen Praktiken bzw. oft gehörten Forderungen?
Kreuze in Amtsräumen, Schulklassen und vor Gericht
– Gottesbezug in der Verfassung
– Verpflichtender konfessioneller Religionsunterricht für Schülerinnen und Schüler, die einer anerkannten Religionsgemeinschaft angehören
– Verpflichtender Ethikunterricht für alle Schülerinnen und Schüler
– Verpflichtender Ethikunterricht für jene Schülerinnen und Schüler, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen

Verfassung: Wenn wir eine Präambel zur Verfassung bekommen, dann würde ich mich an den knapp 200 Ländern der Welt orientieren, die sich in ihrer Präambel auf Gott berufen. Da geht es auch nicht um den Christengott, sondern dahinter steckt das grundlegende Prinzip, dass die Autorität des Gesetzgebers Grenzen hat.

Kruzifix im öffentlichen Raum: Gerade im von großer Unsicherheit geprägten Zeitalter der Globalisierung ist es wichtig, sich auf seine Grundwerte und historischen Wurzeln zu besinnen. Für uns in Europa sind unter anderem die Ideale des zwischenmenschlichen Miteinanders, wie wir sie aus der christlich-jüdischen Tradition übernommen haben, ein wichtiger Ursprung unserer Kultur. Auch spätere Entwicklungen wie die Aufklärung, die Säkularisierung und der religiöse Pluralismus fußen auf diesen Wurzeln. Sie sind als das kulturelle Fundament unserer Gesellschaft allgegenwärtig und ihre Symbole im öffentlichen Raum sollen unser Bewusstsein für sie schärfen.

Religionsunterricht: Ich bin davon überzeugt, dass ein junger Mensch sowohl die wichtigsten Fragen der Ethik als auch die Eckpunkte der Geschichte und Lehre jener religiösen Lehre kennenlernen sollte, die ihm von seinen Eltern weitergegeben wurde. Das eine schließt das andere nicht aus – im Gegenteil: in diesem Spannungsfeld kann eine interessante Debatte zu Für und Wider entstehen, in der kritische Fragen zum Leben und Zusammenleben in unserer Gesellschaft aufgeworfen werden. Diese kritische Debatte kann einem jungen Menschen Orientierungshilfe sein für seine persönliche – ganz private – Entscheidung, ob und für welche Religion er sich entscheiden will.

5. Sie haben Informationsmaterial zur Atheistischen Religionsgesellschaft in Österreich bekommen. Wie stehen Sie zum Vorhaben dieser Bewegung, in Österreich den Status einer staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft zu erreichen?

Das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften legt genaue Verfahren und Kriterien fest, unter denen eine Vereinigung von Anhängern einer Religion, die gesetzlich nicht anerkannt ist, den Rechtsstatus einer religiösen Bekenntnisgemeinschaft erhalten kann. Insofern diese Verfahren und Kriterien eingehalten werden, ist der Antrag jeder Vereinigung, die sich um einen solchen Rechtsstatus bemüht, im Sinne der Gleichberechtigung zu behandeln. Das umfasst nicht nur theistische Bekenntnisgemeinschaften. Auch der Buddhismus kennt beispielsweise in seiner Lehre keine göttlichen Entitäten, ist in Österreich aber sogar als Religion staatlich anerkannt.

6. Sehr geehrter Herr Khol, in einem Interview mit dem Standard (Streitgespräch mit Niko Alm, erschienen am 5.8.2009, http://derstandard.at/1246543699521/Streitgespraech-Sie-tun-mir-als-Atheist-ja-leid) haben Sie gemeint, dass das Bekenntnisgemeinschaftsgesetz, an dem Sie damals mitgewirkt haben, dezidiert auch für Atheisten zugänglich wäre, sofern diese sich zusammenschlössen, um den Status als Bekenntnisgemeinschaft anzustreben. Stehen Sie nach wie vor zu Ihrer Aussage, und dürfen wir mit Ihrer Unterstützung im Sinne der Gleichbehandlung rechnen, wenn es zum Eintragungsverfahren unserer Atheistischen Religionsgesellschaft beim Kultusamt kommt?

Siehe Antwort auf Frage 5.


Über Martin Marot-Perz

Als Techniker vom Studium und Beruf her kümmert sich Martin Perz um den Online-Auftritt der Atheistischen Religionsgesellschaft. Als Webmaster ist er gewissermaßen der Hüter der (digitalen) Schlüssel dieser (virtuellen) Hallen hier. Gerne schreibt er aber auch als unabhängiger Denker zu weltanschaulichen Themen, Religion und Philosophie.

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