Seelsorge. Ein Begriff, den Kirchen häufig für ihre Tätigkeit verwenden und den viele Atheisten gerne ablehnen, weil die Vorstellung einer unsterblichen Seele unmöglich erscheint. Und wahrscheinlich gibt es so viele Vorstellungen, was Seele sein soll, wie es Leute gibt, die den Begriff denken.
Lassen wir mal die Vorstellung außen vor, dass der Mensch irgendwie weiterleben würde, das empfindungsfähige Wesen. Sagen wir, als „Annahme“: Alle Empfindungsfähigkeit endet mit dem Tod. Ab dem Moment des Todes gibt es keine neuen Erfahrungen. Was bleibt dann von einem Menschen?
Für viele Menschen bedeutet diese Annahme, dass ihnen dann egal sein kann, was nach ihrem Tod passiert. Und in gewisser Weise haben sie vielleicht recht: Nach ihrem Tod spielt es für sie wohl keine Rolle mehr. Aber wir Menschen sind mehr als das. Es kann für uns heute schon eine Rolle spielen, was nach unserem Tod passiert. Den meisten von uns ist es nicht egal, wie man sich an sie erinnern wird, unser Selbstbild, die Geschichte, die wir uns selbst über uns selbst erzählen, ist uns wichtig. Wer möchte schon als geiziger Unsympathler in Erinnerung bleiben? Wer Kinder hat möchte, dass diese ein möglichst gutes Leben haben können, in Freiheit, Frieden und Demokratie. Das sind ganz schön viele transzendente Ziele, die man auch haben kann, wenn man gar nicht dran glaubt, selbst noch zu existieren, etwas mitzubekommen.
Als Person sind wir einerseits biologisch lebendig, spielen aber andererseits auch eine Rolle in der Gemeinschaft der Menschen. Wir haben Anteil an der kulturellen Welt, an den Interpretationen dieser Welt und den Geschichten, die wir über sie und über uns erzählen.
Mit diesem Begriff könnte man die Seele näher an den Geist rücken und als den Anteil an uns Menschen begreifen, der den Körper mit der Kultur verbindet. Seelsorge wäre demnach eine Art Kulturarbeit. Darunter fallen viele Formen von Dialog, schriftlich oder mündlich.
Eine häufige Frage, die gestellt wird, wenn wir von Seelsorge sprechen, ist diese: „Warum nicht einfach Psychotherapie?“ Die Gegenfrage könnte lauten: „Warum nur Psychotherapie?“ Keinesfalls wollen wir den Wert von Psychotherapie in Frage stellen, doch scheint es, dass sie ein sehr spezielles Angebot ist, das viele Menschen noch dazu erst in Anspruch nehmen, wenn der Leidensdruck bereits groß ist. Außerdem ist Psychotherapie häufig teuer und für viele schon allein deswegen schwer zugänglich. Für viele Fragen des Lebens ist sie wohl auch nicht das gelindeste Mittel. Das heißt, neben der Psychotherapie bleibt immer noch recht viel Platz für Seelsorge, die nicht Psychotherapie ist.
Eine Seelsorge, die nicht an einen Gott oder an eine unsterbliche Seele glaubt, kann zum Beispiel Räume bieten, in denen man sich aus dem Alltag zurückziehen kann, um sein eigenes Leben zu reflektieren, und möglicherweise auch mit anderen darüber sprechen kann. Und neben dem Denken und Sprechen sollte auch das Feiern seinen Raum haben: Das, wofür es sich zu leben lohnt, das, zu dem wir uns entscheiden, ja zu sagen, darf begossen und besungen werden.
Eine Religionsgesellschaft könnte hier ein Rahmen sein, gemeinsam zu lernen und zu forschen, welche Zeremonien und Rituale abseits des Katholischen, des Esoterischen und des Wurschtigen ihren Zweck erfüllen und die Lebenszufriedenheit ihrer Mitglieder erhöhen können.