Tag des Friedens 1


Untertitel: Was der 8. Mai für Österreich bedeuten könnte

Der 8. Mai 1945 war der Tag, an dem die Wehrmacht endlich und offiziell akzeptierte, dass der Krieg nicht mehr gewonnen werden könnte und dass eine Kapitulation besser sei als die totale Vernichtung. Viele Länder feierten den Sieg über die Nazis oder einfach nur das Ende des Krieges.

Während ich den Text schreibe, merke ich, wie viel es eigentlich zu sagen gibt, dass gar nicht alles gesagt werden kann und wie vieles nicht zu sagen beinahe einer Lüge gleich käme. Trotzdem will ich es versuchen.

Der 8. Mai markiert nicht den Beginn von Freiheit und Demokratie. Er markiert nicht das Ende aller großen Verbrechen. Für viele Österreicher/innen bedeutete er auch nicht das Ende der Angst – das hing einerseits sehr von der Besatzungszone ab und andererseits waren viele junge Männer noch Jahre darüber hinaus in Kriegsgefangenschaft.

Aber wenn es eine Zäsur gibt, die wirklich als Einzeldatum gefeiert werden kann, dann ist es das Ende des Krieges. Tausende starben noch täglich in den Maitagen von 1945. Zivilisten und reguläre Soldaten, aber auch der “Volkssturm” aus Kindern und Greisen, der noch als Kanonenfutter verheizt wurde. Der 8. Mai – die Kapitulation der Wehrmacht – bedeutete das Ende dieser Schlachterei.

Mit dem Ende der Nazi-Zeit endete auch die systematische Ermordung von Juden, “Zigeunern”, Homosexuellen, politischen Gegnern, “Asozialen” und geistig oder körperlich Behinderten. Das waren Verbrechen des Naziregimes, die mit der “Besatzungszeit” endlich aufhörten.

Das führt uns zu einem kurzen Ausflug in die Mythologie: Ein österreichischer Nationalmythos ist der, wie Leopold Figl im Jahr 1955 die Russen unter den Tisch gesoffen und dadurch die Unabhängigkeit ertrunken habe. Ein anderer ist derjenige vom Status als “erstes Opfer”. Die Widersprüchlichkeit dieses Opfer-Status ist vielschichtig. Zunächst erfolgte der Anschluss an Deutschland nicht freiwillig, aber gewaltlos. Den Krieg haben dann “wir” verloren, weil österreichische Männer in Wehrmachtsuniformen gekämpft haben. In Österreich gilt aber als “Besatzungszeit” die Zeit von 1945-1955. Ein “Opfer” von Nazideutschland würde sinngemäß die Zeit von 1938-1945 als Besatzungszeit interpretieren. Der Nationalfeiertag ist der 26.Oktober 1955 und orientiert sich damit am Figl-Mythos, nicht am Opfermythos. Es mag bestritten werden, ob Österreich nun Opfer war oder nicht, aber unbestritten wurde Österreich durch die Kapitulation der Wehrmacht von einem tyrannischen Regime befreit. Die zweite Republik verdankt ihre Existenz diesem Ereignis. Daher schlage ich vor, den 8. Mai auch als Feiertag zu begehen.

Wie können wir diesen Feiertag (religiös) begehen?
Einerseits gibt es Veranstaltungen, an denen man teilnehmen kann (in Wien sogar mit einem Konzert der Wiener Symphoniker – http://www.festderfreude.at/).

Andererseits kann man aus dem Anlass auch ein Gedankenexperiment begehen: Wie wäre es, in einem Land zu leben, in dem für alle Frauen Rüstungs- oder Gebärpflicht gilt und für alle Männer Kriegspflicht. Wo das Angehören zur falschen Volksgruppe oder auch Kranksein den Tod nach sich zieht. Wo ein falscher Witz ins Konzentrationslager führen kann, wenn ihn der oder die Falsche hört. Wäre man selbst heldenhaft in den Widerstand gegangen und hätte den Nazis eigenhändig das Handwerk gelegt? Hätte man sich mitschuldig gemacht an den Verbrechen dieses Mörderstaats? Was hätte man sich erwartet, wie andere Länder mit österreichischen/deutschen Flüchtlingen umgehen hätten sollen? Nicht alle Länder waren damals froh über die katholischen/jüdischen/kommunistischen Vertriebenen und deren kulturellen Mitbringseln.

Heute muss man keine Heldin / kein Held sein, um sich politisch zu engagieren, um “den Anfängen zu wehren”. Man muss zum Glück nicht mit Verfolgung rechnen, wenn man seine Meinung laut öffentlich kund tut. Man kann den Feiertag nutzen, um sich zu erinnern, wie es um das Land steht, und was man selbst dazu beiträgt, dass es eher besser als schlechter wird. Damit es auch in Zukunft keine Helden und Heldinnen braucht.


Über Eosphoros

Die Frage des Atheismus ist nicht: Gibt es einen Gott, sondern vielmehr: Wenn es keinen Gott gibt, wie geht dann das Leben? Kann man auch beten, ohne zu jemandem zu beten? Kann man auch sterben ohne weiterzuleben? Und wenn ja, wie? Es ist eine häufig ungedankte Aufgabe, Menschen ihrer Illusionen zu berauben. Der Wille zur Wahrheit und der Wille zur Verantwortung sind anstrengend, Illusionen oft der einfachere Weg. Nicht umsonst wurde der Lichtbringer Prometheus an einen Felsen gekettet und gefoltert, der Engel Lucifer in die Hölle (oder auch auf die Erde?) verbannt. Tja, aber da sind die Menschen nun. Keine Menschen im Olymp, und kein lebendiger Mensch im Paradies. Das beste was die Menschen hoffen können, ist es sich einigermaßen gut einzurichten. Dazu bedarf es der Weisheit, einer Eigenschaft beziehungsweise Fertigkeit die nur all zu oft mit "Wissen" verwechselt wird. Wissenschaft und Rationalität, es tut mir leid, das sagen zu müssen, sind noch nicht das Ende zur Fahnenstange. Sie dienen dem guten Leben, aber nur, wenn sie richtig eingesetzt werden. In diesem Sinne bemühe ich mich um eine Atheistische Religionsgesellschaft, auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnis, verknüpft mit kultureller Erfahrung, politischen Betrachtungen, Philosophischen Überlegungen und möglicherweise tradiierter Mythen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ein Gedanke zu “Tag des Friedens

  • Lusru

    Humanismus – oder Human_Mus
    “Heute muss man keine Heldin / kein Held sein, um sich politisch zu engagieren, um „den Anfängen zu wehren“. Man muss zum Glück nicht mit Verfolgung rechnen, wenn man seine Meinung laut öffentlich kund tut. Man kann den Feiertag nutzen, um sich zu erinnern, wie es um das Land steht, und was man selbst dazu beiträgt, dass es eher besser als schlechter wird. Damit es auch in Zukunft keine Helden und Heldinnen braucht.”
    Korrekt, denn heute reicht es die “LÜCKENPRESSE von Prof. U. Teusch (Westendverlag 2016) zu lesen, besser: zu verstehen – allein das (vorallem Letztere) entspricht bereits dem Heldentum, das seinerzeit beim Aufkommen der Nationalsozialisten (wie schon zuvor bei anderen -isten und auch später den sogenannten Realsozialisten) gefehlt hat, um Schandtaten der Menschheitsgeschichte durch Einfangen der “Anfänge” mittels echter Demokratie zu verhindern.
    Jede “soziale” (= menschliche: nur von, für, durch, zu, zwischen, oder unter Menschen stattfindende) Entität ist auf das soziale (von Mensch gemachte) Instrument der Demokratie angewiesen, um zum Schutz der eigenen Identität und damit Existenz DEN Ausgleich in der Gesellschaft, das einzige Ziel von Demokratie seit griechischer Erfindung, zu schaffen, der durch zwingende Teilhabe ALLER daran Schandtaten und Menschheitsbrüche, wie – z.B. u.a. (!!) – den Nationalsozialismus und seine Zerstörung an Mensch und Ding zu verhindern.
    Die einzigen Alternativen dazu wären nur Duldung des Unsäglichen ODER physische Vernichtung der “nicht passenden” und allein daher zu “selektierenden” störischen Andersdenkenden, da diese auf anderem Wege nicht “ausschaltbar” sind – das alles dann mit dem “kleinen” Schönheitsfehler, dass man bei Letzterem Denken und oder Handeln sich dann selber nur zum Unsäglichem totalitärem Antidemokratismus entweiht.

    Ente oder Trente, Humanismus oder nur Human_Mus, was allein schon ein fehlender / nicht verstandener Buchstabe, also eine LÜCKE an einer Sache ändert ….
    LÜCKENPRESSE verstehen!

    Und ja, jeder historische Cut, wie der 08.05.1945, ist geeignet, in diesem zwingenden Handlungsstrang einen Neubeginn zu begründen, allein schon durch damit manifestierte Zerstörung der bestehenden Strukturen, der Identitäten des Unsäglichen ….