Die Wirklichkeit ist absolut 18


Ein Gastkommentar von Andreas Müller

Ich wurde darum gebeten, eine Replik auf den Beitrag „Absolut und Relativ“ von Nikolaus Bösch zu verfassen, da ich als Atheist eine Philosophie mit objektivem Wahrheitsanspruch – den Objektivismus der amerikanischen Philosophin Ayn Rand – vertrete, während Herr Bösch in seinem Beitrag einen erkenntnistheoretischen sowie ethischen Relativismus befürwortet.

Zunächst einmal sollte man ein paar Worte über den Begriff des „Absoluten“ oder des „Unbedingten“ verlieren. In der Philosophiegeschichte wurden diese Begriffe meist mit einer theologischen oder idealistischen Variante von Gott gleichgesetzt, einem übernatürlichen Wesen oder einer Abstraktion, die nicht auf Konkreta zurückgeführt werden kann, die also wie ein gedankliches Luftschluss losgelöst von der Wirklichkeit in den Köpfen herumspukt. Ich stimme mit Herrn Bösch überein, dass es „das Absolute“ in diesem Sinne, also Gott, nicht gibt. Man könnte das Absolute aber auch anders definieren, nämlich als das metaphysisch Gegebene, als die Naturgesetze und die Materie in unserem Universum, das, was unveränderlich „da ist“. Nach diesem Verständnis existiert das Absolute durchaus. Die Wissenschaften befassen sich mit der Erkenntnis dieses Absoluten.

Es gibt „absolute“ Wahrheiten, was einfach nur bedeutet, dass es Wahrheiten gibt. Wenn etwas wahr ist, dann ist es wahr, egal, welches Adjektiv man davorstellt. Entweder es regnet hier gerade oder es regnet hier nicht gerade, entweder in meiner Tasse befindet sich Kaffee oder nicht. Etwas kann nicht zugleich wahr und nicht wahr sein. Es gibt keine „relativen“ Wahrheiten. Es gibt nur wahr oder falsch. Sicher mögen verschiedene Perspektiven, Interpretationen und Bewertungen existieren. Es gibt aber keine verschiedenen Wahrheiten. Die Dinge sind wie sie sind. Egal, was irgendwer davon hält.

Es gibt keine relativen Wahrheiten

Nun schreibt Herr Bösch, dass der Verlust des Absoluten alles relativ mache. Das ist bloße Rhetorik. Gott ist schließlich nicht wirklich das Absolute, sondern er ist gar nichts, weil er nicht existiert. Der Verlust von gar nichts führt zu gar nichts und bedeutet gar nichts. Gewiss: Der Verlust des Glaubens an eine Instanz, die eine absolute Moral vorgibt, hat Konsequenzen. Mit „relativ“ scheint Herr Bösch derweil nicht etwas zu meinen, das in Relation, also in einer bestimmten Beziehung zu etwas wie der Umwelt und anderen Menschen steht. Ein präziserer Begriff für die erkenntnistheoretische und ethische Position, wie sie in Böschs Artikel durchscheint, wäre eher „Subjektivismus“.

„Alle menschlichen Werte sind von Menschen erdachte, verhandelte, akzeptierte Werte“, schreibt Bösch. „[…] Das Mordverbot ist kein Naturgesetz, sondern etwas, was wir Menschen in die Natur hineinerfunden haben.“ Das ethisch Richtige besteht laut Bösch darin, die „eigenen Fähigkeiten in diesen Prozess einzubringen“, wobei er mit jenem Prozess die „soziale Realität“ meint, die sich als eine Art ewig wandelnde gesellschaftliche Verhandlung über ethische Fragen verstehen lässt.

Ich sehe im Unterschied zu Herrn Bösch nichts „Unübertroffenes“ daran, an einem Prozess teilzunehmen, der darin besteht, willkürliche Behauptungen über Moral aufzustellen und sie in einer Debatte zu verteidigen. Wie in den Religionskriegen der Vormoderne wird man sich auch in der Moderne niemals zufriedenstellend auf etwas einigen können, solange jede Partei nur beliebige Behauptungen aufstellt. Warum sollten Zwangsehen und Steinigungen eigentlich falsch sein, wie Religionskritiker behaupten? Ist Ethik lediglich das, was immer wieder neu ausgehandelt wird, dann kann ebenso neu ausgehandelt werden, dass Zwangsehen und Steinigungen richtig sind.

Nun bestreitet Nikolaus Bösch, dass Relativismus zur Beliebigkeit führen müsse: „Das muss so nicht sein, der Verlust des Absoluten macht alles relativ, was aber noch lange nicht heißt, dass deswegen alles beliebig ist. Es liegt dann an den Menschen, gerechte Urteile zu fällen, den richtigen Willen und die richtige Liebe zu finden und zu leben.“ Es stellt allerdings keinen Widerspruch zur Beliebigkeit bzw. zum Subjektivismus dar, dass es an den Menschen liegt, gerechte Urteile zu fällen. Sicher liegt es an den Menschen, aber auf welcher Grundlage sollen sie entscheiden, was „gerechte“ Urteile sind? Eine objektive Fundierung der Ethik benennt Bosch nicht. Somit ist unklar, inwiefern Relativismus etwas Anderes impliziert als Beliebigkeit.

Nur durch eine Orientierung an den Fakten können Konflikte gelöst werden

Was bedeutet „Subjektivismus“? „Subjektivismus ist die Überzeugung, dass die Realität kein festes Absolutes ist, sondern ein fluides, plastisches, unbestimmtes Gefilde, das ganz oder teilweise durch das Bewusstsein des Wahrnehmenden verändert werden kann – d.h. durch seine Gefühle, Wünsche oder Launen. Es ist die Doktrin, die behauptet, dass der Mensch – ein Wesen mit einer bestimmten Natur, der es mit einem Universum mit einer bestimmten Natur zu tun hat – irgendwie losgelöst von oder im Widerspruch zu den Tatsachen der Realität leben, handeln und seine Ziele erreichen kann, d.h. losgelöst von oder im Widerspruch zu seiner eigenen Natur und zur Natur des Universums“, wie es die Philosophin Ayn Rand ausdrückte.

Tatsächlich sind sowohl eine relativistische Ethik wie auch eine religiöse Ethik Varianten des Subjektivismus. Die religiösen Subjektivisten behaupten ohne Belege, dass es Gott gibt und er für uns Regeln vorgeschrieben hat, die in einem alten Buch stehen. Einige säkulare Subjektivisten behaupten ohne Belege, dass wir jetzt Tierrechte, Energiewende und so weiter gutheißen müssten. Bevor jemand einwendet, dass doch gute Gründe für Tierrechte angeführt würden: Mir ist die Tierethik von Peter Singer, Tom Regan und co. gut bekannt, aber dabei handelt es sich um ethische Systeme ohne jedes Fundament, sie hängen im luftleeren Raum, genau wie Gott. Man argumentiert sogar bei vielen Themen wie der Flüchtlingskrise und der Tierethik heute offen mit einem Gefühl, mit dem Mitgefühl, obwohl dies seit Jahrtausenden in der Philosophie als Denkfehler namens „Argumentum ad passiones“ bekannt ist. Siehe dazu meinen Essay Der Mitleidswahn.

Die Zeit der Fundierung ethischer Thesen in den Tatsachen der Realität ist schon lange, nämlich seit Ende der Aufklärung, vorüber. Es herrscht blanke Willkür und Beliebigkeit, sei es in Form eines Glaubens an einen unbewiesenen, widersprüchlichen Gott oder in Form eines Glaubens an irgendwelche „progressiven“ gesellschaftlichen Anliegen. Von daher gibt es für mich nichts zu entscheiden zwischen einer säkularen Willkürethik oder einer religiösen Willkürethik. Nur durch eine Orientierung an den Fakten können Konflikte gelöst werden.

Es herrscht blanke Willkür und Beliebigkeit

Zu diesen Fakten gehört, dass der Mensch eine bestimmte Art von Lebensform mit bestimmten Eigenschaften ist. Wir sind die Lebensform, welche die Welt konzeptionell verstehen kann und die freie und rationale Entscheidungen treffen muss, um zu überleben. Wir müssen uns im Unterschied zu den Tieren für das Leben entscheiden, für die aktiven Handlungen, die unser Leben erfordern. Wir müssen die Werte erschaffen, die wir für unser Leben brauchen, indem wir herausfinden, was wir benötigen und wie es beschaffen ist (Wissenschaften) und wie wir die Werte erzeugen können (Technik).

Wir müssen rational und zielstrebig handeln, um unsere Werte zu erreichen, sei es Nahrung, eine Karriere oder ein Partner. Aus diesen Tatsachen über die Natur des Menschen und seiner Umwelt lässt sich schließen, dass der Mensch von physischer Gewalt durch andere Menschen geschützt werden muss, um erfolgreich leben zu können. Darum muss der Staat unsere Rechte auf Leben, Freiheit und Eigentum schützen – damit wir als Menschen überleben können.

Der Subjektivismus steht dem menschlichen Leben im Weg, weil er uns zu Handlungen auffordert, die nicht an die Bedingungen unserer Existenz gekoppelt sind, die nicht zu unserem Leben als Menschen beitragen. Sei es, dass wir Gottes Willen zu gehorchen haben, dem Willen „der Gesellschaft“ oder den eigenen beliebigen Launen im Unterschied zu unseren eigenen rationalen Entscheidungen, all dies schadet unserem Leben. Das menschliche Leben, nicht der subjektive Wille, ist der Maßstab der Ethik.

Andreas Müller ist als Journalist und Publizist tätig. Er lehrt außerdem die Philosophien von Aristoteles und Ayn Rand in Seminaren. Er betreibt seinen Blog auf https://feuerbringer.wordpress.com/.


Über Gastautorinnen und Gastautoren

Gastautorinnen und Gastautoren können wichtige Quellen für Meinungen und neue Ideen sein. Wir freuen uns, wenn ihre Beiträge zur kritischen Diskussion anregen. Wenn Sie einen Beitrag haben, den Sie hier teilen möchten, schicken Sie ihn bitte an office@atheistisch.at.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

18 Gedanken zu “Die Wirklichkeit ist absolut

  • Sebastian Landthaler

    Ich frag mal “Wir müssen rational und zielstrebig handeln, um unsere Werte zu erreichen”
    U.a. hier kann man fragen: Sind unsere Werte objektiv. Also nach dem Kohlberg-Modell oder so objektiviert? Die Produktion von Objekten erfordert Technik. Ausgefeiltere Techniken als sie z.B. Raben oder Affen anwenden. Die Zuschreibung von Werten erscheint mir, zumindest in meiner jetziger Gedankenmixtur, eine subjektive (vielleicht für das Subjekt objektiv bestehende) oder höchstens eine objektiv subjektive zu sein.

    • Nikolaus Bösch

      Leider verstehe ich den Kommentar nicht ganz?

      Es stellt sich allerdings bei der “Erzeugung von Werten” die Frage, ob damit die Dinge gemeint sind, denen Wert zugeschrieben wird, oderdie Wertzuschreibung selbst.

      Die Produktion der Dinge fällt wohl in den Bereich Technik. Der Wert kommt ihnen aber eher sozial zu. Wäre zumindest meine Ansicht dazu.

  • Josef Gundacker

    Ich finde diesen Kommentar teils amüsant, die Argumente allerdings lächerlich, weil sie sich widersprechen und sozusagen eine Negation der Negation darstellen. Hr. Müller behauptet, die Wirklichkeit ist absolut, es gibt keine relativen Wahrheiten! Wie konnte er das objektiv feststellen? Einen geistigen Ursprung also Gott gibt es nicht, weil er nicht existiert, andererseits gibt es doch etwas metaphysisch Gegebenes. Wie lässt sich etwas metaphysisch Gegebenes objektiv beweisen? Weiters sollte sich Herr Müller und mit ihm die atheistischen Glaubensbrüder, sich eine korrekte Bezeichnung ihres Glaubens ernsthaft überlegen. Das Wort A-theist stellt nämlich automatisch einen Bezug zu Gott her. Wenn man “theist” wegstreicht, bleibt nur das A, also Nichts übrig. Das ist für einen “unaufgeklärten” Menschen wie mich nicht sehr befriedigend. Dieses Nichts hat natürlich auch einen großen Vorteil. “Nichts” gibt einem Menschen keine Vorgaben fürs Leben. Der Mensch ist dann auch niemanden, nicht einmal sich selbst verantwortlich, den von Nichts kommt bekanntlich Nichts! Und sollte ich “irrtümlicherweise” einmal die goldene Regel verletzen, dann habe ich ja eine Ausrede, denn meine offensichtlich falsche Handlung war ja nur eine Einbildung, Wofür steht dann ein Atheist eigentlich?

    • Nikolaus Bösch

      Ich möchte mich auf den zweiten Teil Ihrer Ausführungen konzentrieren. Der A-Theismus bezieht sich auf die kulturgeschichtlich vorherrschende Auffassung es gäbe einen Gott, und nimmt darauf negativ Bezug. Das sagt über die objektive Welt wenig aus. Und auch wenig über die Existenz Gottes.

      Sie leiten aus der nicht-Existenz Gottes (oder dem Nicht-Glauben an dessen Existenz) eine völlige Beliebigkeit heraus. Das mag sein, jedoch bietet dieser Nicht-Glaube zumindest keine Rechtfertigung für Verbrechen. Der Glaube an ein göttliches Wesen hingegen kann als Rechtfertigung dienen. Die Beispiele für solche Vorfälle sind zu zahlreich, um hier einzelne herauszupicken.

      Aus dem Glauben kann alles abgeleitet und gerechtfertigt werden. Noch dazu unter Aufgabe der eigenen persönlichen Verantwortung (Gottes Wille, Gottes Werkzeug). Diese moralische Abkürzung kann ein Atheist nicht gehen.

      Um auf Ihre abschließende Frage einzugehen: Es gibt viele Annäherungen an die Welt, die als “atheistisch” aufgefasst werden können. Die Philosophie listet viele von Ihnen auf. Es ist aber unmöglich genau zu sagen, welche Ethik jeder Atheist als Atheist vertreten müsste und würde.

      • Josef Gundacker

        Wenn ich Sie richtig verstehe, sagen Sie, dass der Atheismus sich der Existenz Gottes bewusst ist, diese aber bewusst verneint, oder? Wie kommen Sie übrigens auf die Idee, dass ein Nicht-Glaube, nicht als Rechtfertigung für Verbrechen dient? Was ist mit den Stalin´s und Pol Pot´s in der Welt, die Millionen Menschen und bevorzugt religiöse Menschen einfach abgeschlachtet haben? Natürlich kann der Glaube an ein göttliches Wesen als Rechtfertigung für Verbrechen dienen, muss aber nicht! Wenn Sie behaupten, dass unter Aufgabe der eigenen persönlichen Verantwortung, aus dem Glauben alles abgeleitet und gerechtfertigt werden kann und Atheisten diese moralische Rechtfertigung nicht gehen können, so ist dies leider falsch. Sie unterstellen nämlich allen gläubigen Menschen, willen- und verantwortungslose Werkzeuge eines rachsüchtigen Gottes zu sein. Dieses Vorurteil dient als Rechtfertigung religöse Menschen zu bekämpfen. Es gibt unter “religiösen” Menschen genauso viele Gauner und Lügner, wie unter Atheisten. Der Unterschied ist nur, ein “religiöser” Mensch rechtfertigt dies mit seinem Glauben, ein Atheist mit seinem (nicht vorhandenen) Gewissen.

        • Wilfried Apfalter

          Zur Förderung des Verständnisses möchte ich gerne auf zwei Punkte, die sich durch eine genaue Lektüre überprüfen lassen, hinweisen.

          1) Nikolaus Bösch hat nicht gesagt, dass der Atheismus sich der Existenz Gottes bewusst sei, diese aber bewusst verneine.

          2) Nikolaus Bösch hat auch nicht allen gläubigen Menschen unterstellt, willen- und verantwortungslose Werkzeuge eines rachsüchtigen Gottes zu sein.

          • Josef Gundacker

            Kann man etwas bewusst verneinen was nicht existiert? Das macht keinen Sinn. Es wäre an der Zeit den Begriff Atheismus korrekt zu definieren. Was ist dieses “Absolute”? Ist das nur Materie? Und was ist das “metaphysisch Gegebene”? Lässt sich dieses metaphysisch Gegebene mit wissenschaftlichen Methoden erforschen? Außerdem, wenn etwas gegeben ist, dann muss es einen Urheber geben – oder? Natürlich, wenn Hr. Bösch als überzeugter Atheist Gott auf ein Buch reduziert, dann fällt es leicht einen Glauben zu widerlegen. Ich wünsche Ihm mehr stille Momente in der freien Natur, um dahinter mehr zu entdecken, als die momentane äußeren Schönheiten, frei nach dem Motto: “Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar!”
            2. Wenn Hr. Bösch schreibt: “Aus dem Glauben kann alles abgeleitet und gerechtfertigt werden. Noch dazu unter Aufgabe der eigenen persönlichen Verantwortung (Gottes Wille, Gottes Werkzeug). Diese moralische Abkürzung kann ein Atheist nicht gehen”. Das sagt pauschal aus, das Atheisten die “Guten” sind und Theisten, die an Gott glauben die Tendenz haben ihre persönliche Verantwortung abzuschieben. Dahinter verbirgt sich genau genommen ein Vorurteil gegenüber Gläubigen und Gott.

            Ich bitte Sie, darüber einmal tiefer darüber zu reflektieren, was bedeutet, die Ratio einmal abzuschalten und tiefere Bewusstseinserfahrungen zuzulassen.

        • Nikolaus Bösch

          Nein, herr Gundacker, Sie verstehen mich, denke ich, falsch.

          Das “Konzept Gott” ist nicht gleichzusetzen mit einer “Entität Gott”. Vom einen lässt sich nicht auf das andere schließen.

          Keinen Gott zu haben heißt nicht, immun gegen Fehler zu sein. Das habe ich nicht behauptet. Ich habe genausowenig behauptet, dass jeder Gläubige ein Verbrecher wäre, bitte verzerren Sie nicht, was ich gesagt habe, und verstehen Sie mich nicht falsch.

          Aber wer keinen Glauben an einen Gott hat, kann seine Verbrechen zumindest nicht mit dem Willen Gottes rechtfertigen. Wer einen Glauben an eine Gottheit hat, kann sein Handeln darauf berufen.

          Sie haben behauptet, dass bei Atheisten “Nichts” vorhanden ist, und von “Nichts kommt nichts” und Sie haben abgeleitet, dass es keine Verantwortung gibt.
          Ich wollte darauf hinweisen: Ich könnte jetzt genauso gut an einen Gott glauben, der mir vorschreibt, Dinge zu tun, die von anderen als “böse” oder “schlecht” beurteilt würden. Mein Glaube würde mich dann zu etwas verleiten, was Sie ablehnen würden. Wieso sollte Glaube an sich daher hochstehend sein, beziehungsweise höherstehend als nicht-Glauben?

          Ich stoße mich an der “Glaube ist besser als Atheismus”-These, und versuche ihre Fehlerhaftigkeit aufzuzeigen.

          • Josef Gundacker

            Es ist äußerst interessant, dass Sie Herr Bösch, zwischen dem “Konzept Gott” und einer “Entität Gott” unterscheiden. Wenn Sie von Gläubigen sprechen, meinen Sie dann einen Glauben an das/die “Konzept(e) Gott”? Dann bin ich nämlich ganz auf Ihrer Seite, denn es gibt so viele verrückte Vorstellungen von Gott, die mit der Realität und mit der “Entität Gottes” nichts gemein haben. Ich finde dass es aber müssig ist den Glauben an die Millionen der “Konzepte Gottes” zu führen.Es ist ein Kampf gegen Windmühlen den sie nie und nimmer gewinnen werden.

            Spannend wird es allerdings, sich einmal mit der “Entität Gott” auseinanderzusetzen. Welches Wesen und welche Natur könnte diese “Entität Gott” haben. Und vor allem welche Beziehung hat er, bzw. möchte er haben? Dass diese “Entität Gott” persönliche Charakterzüge hat, lässt sich daraus schließen, dass wir Menschen ganz individuelle Charakterzüge haben. Da keiner von uns selbst sich für dieses Leben in dieser Welt entschieden hat, ist es nahe liegend, dass es jemanden anderen Entscheidung und Wunsch war.
            Sicher haben in der ganzen Geschichte und auch heute noch, viele “Gläubige” ihre Taten mit dem Willen Gottes gerechtfertigt. Dies hat allerdings nichts mit Gott zu tun, sondern war und ist immer eine Rechtfertigung für die nicht erfüllte Verantwortung der jeweiligen Menschen. Das Argument, dass Gott seinen “Untertanen” das Leben vorschreibt ist fehl am Platz. Es gibt allerdings grundlegende Gesetzmäßigkeiten, wie das Gesetz des “Gebens und Nehmens” (Kooperation), die Gesetze des Wachstums und das Gesetz der Freiheit durch Verantwortung. Und wenn der Mensch diese Gesetze missachtet, bricht er nicht das Gesetz, sondern er zerbricht daran.
            Soviel für heute.

            • Nikolaus Bösch

              Sollte es eine Entität Gott geben, so wäre sie dermaßen von den Menschen verschieden, dass es müßig wäre über ihre Charakterzüge zu sprechen. Wir sprechen ja auch nicht von Charakterzügen des Planeten Erde, dem ja, je nach Religion auch ein göttliches Sein zukommt.

              Interessant finde ich, dass die “göttlichen” Gesetze solche sein sollen, gegen die der Mensch nicht verstoßen kann, ohne selbst daran zu zerbrechen. Demnach bräuchte es keine externe Entität Gott, die Fehlverhalten bestraft, sondern diese “Gesetze” wären lediglich Ausdruck einer inneren menschlichen Gesetzmäßigkeit. Gott wäre somit eine Projektion vom menschlichen inneren in ein Äußeres, und könnte ausgelassen werden, wenn man ihn durch das Menschliche ersetzt.

  • T.M. Wanka

    Hi,

    zum Thema “absolute Wahrheiten” sei auf Schrödingers Katze verwiesen, auch wenn dies nicht für die hier beispielhaft angeführten makroskopischen Systeme anwendbar wäre.

    Wir reden hier aber über gesellschaftliche Strukturen, nicht über naturwissenschaftliche Strukturen, die auch nicht absolut sind sondern nur den aktuellen Stand der Erkenntnisse darstellen.

    Dazu wurde erklärt, dass diese nicht beliebig und willkürlich sind, sondern nur “relativ”, was insoferne zutreffend ist, als sie sich nur auf den aktuellen Zustand einer Gesellschaft beziehen. Der ist zwar veränderlich, nicht aber beliebig und willkürlich.

    Zu hinterfragen wäre, was mit z.B. “wir als Menschen” gemeint ist. Die Menschheit, unsere Gesellschaft, alle Menschen?

    Objektiv betrachtet jedenfalls braucht es keinerlei Entität, die “unsere Rechte auf Leben, Freiheit und Eigentum schützen” würde, das erledigt schon Mutter Natur, die dafür sorgen sollte, dass der Geeignetste überlebt – Onkel Darwin lässt grüßen.

    Den ursprünglichen Beitrag habe ich so verstanden, dass nicht mit einem Zusammenbruch des Wertesystems zu rechnen ist, weil man erkennt, dass es kein “absoluter” Wertemaßstab besteht, zumal schon bisher Wertesystem nicht vom “Absoluten” ausgingen, sondern nur von dessen selbsternannten menschlichen Vertretern.

    Ob man das nun “relative Werte” nennt, oder “beliebige” oder “willkürliche Werte”, ist ein reiner Begriffsstreit.

    LG Tom

    • Nikolaus Bösch

      Zur Deutung des ursprünglichen Beitrags: Dem würde ich zustimmen.

      Zur Frage nach dem Überleben des geeignetsten: Die Natur / Evolution ist kein moralischer oder zielgerichteter Prozess und orientiert sich schon gar nicht an den Interessen der sterblichen Menschen in der Welt. Die Evolution ist (i.S.v. existiert) schlicht und einfach. Was die Menschen in dieser Welt als wünschenswert erachten müssen sie selbst hinein bringen, und können dadurch auch interessante evolutorische Prozesse in die Wege leiten. Im Sinne von: Was geeignet ist, kann je nach Gesellschaft sehr unterschiedlich aussehen, und das wiederum sehr verschieden vom “Naturzustand”.

  • Nikolaus Bösch

    Solange es niemanden gibt, der Sicherheit über diese absolute Welt, das Wesen des Menschen und die “wahre” Ethik hat befinden wir uns nur auf einem Pfad der Erkenntnis aus dem Bekannten heraus. Solange das “eine Wahre” nicht gefunden ist, werden mehrere Entwürfe um Geltung konkurrieren.

    Es herrscht also ohnehin das, was Feuerbringer als “Beliebigkeit” kritisiert. Diese “Beliebigkeit” kann erst enden, wenn es zumindest einen Menschen gibt, der “das Eine” entdeckt hat, und wenn andere bereit sind, diesem Menschen zu folgen.

    Bis dahin ist alles subjektiv, relativ zur menschlichen Erkenntnis. Und an diesem Punkt haben wir es möglicherweise mit einer “Offenbarung” zu tun.

    Unabhängig davon, ob das Absolute nun existieren mag oder nicht, stellt sich die Frage wie man zur sicheren Erkenntnis über dieses Absolute gelangt, und woran man sich bis dahin orientiert.

    Solange das Absolute unbekannt bleibt, ist es -nach Feuerbringer – für die praktische Ethik nicht maßgebend, sobald es erkannt ist, steht der Anspruch der Allwissenheit im Raum.

    Wenn der Objektivismus (oder der einzelne Objektivist) nun aber für sich nicht in Anspruch nimmt, das Absolute zu kennen, ist die Existenz des Absoluten irrelevant, wenn er es aber tut, maßt er sich “Offenbarungswissen” an. Und diese Anmaßung kritisiere ich.

    Demgegenüber schlage ich in meinem Text vor, das relativ Erkennbare, das schrittweise Entwickelbare als das beste was uns zur Verfügung steht zu akzeptieren.