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Atheismus und Religion sind kein Widerspruch
Auf den ersten Blick erscheint die Kombination von Atheismus und Religion vielleicht widersprüchlich. Eine genauere Betrachtung zeigt jedoch, dass dies nicht der Fall ist.
Atheismus und Götter
Wir sind Atheistinnen und Atheisten, da wir nicht an Götter als eigenständige Akteure glauben. Götter existieren jedoch als kulturelle Entitäten und Weltanschauungskomplexe, die von Menschen (bzw. allgemeiner: Lebewesen) erschaffen wurden und Macht in deren Leben haben.
Religion auch als gelebte Philosophie
Religion ist unter anderem auch ein kultureller Raum, in dem existenzielle Fragen gestellt und Antwortversuche entwickelt werden können. Wir verstehen Religion auch als gelebte Philosophie, die sich auch mit dem Menschsein und dem Leben in der Welt beschäftigt. Religion bietet Weltbilder und Praxen, die über den Alltag hinausgehen und Möglichkeiten zur Reflexion und Besinnung, etwa durch Feiern und Rituale, bieten.
Religion im kulturellen Kontext
In vielen Kulturen wird Religion mit Theismus (im engeren Sinn Glaube an einen Schöpfergott) gleichgesetzt, besonders durch den Einfluss des Christentums. Der Buddhismus zum Beispiel zeigt jedoch, dass Religion nicht zwangsläufig theistische Vorstellungen enthalten muss. Wir finden es gut, wenn Religion philosophische und kulturelle Aspekte des Menschseins reflektiert und fördert.
Gesetzliche Anerkennung
Die EU-Richtlinie 2004/83/EG definiert Religion ausdrücklich als „theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen […]“. Diese Richtlinie erkennt an, dass Religion vielfältige Formen annehmen kann, einschließlich atheistischer Überzeugungen.
Fazit
Atheismus und Religion schließen sich nicht gegenseitig aus. Eine atheistische Religion ist möglich.
Sinn und Betätigungsfelder der Atheistischen Religionsgesellschaft
Gleichberechtigung und religiöse Teilhabe
- Rechtsrahmen: In Österreich werden die Rechte und Pflichten von Religionsgemeinschaften durch das staatliche Religionsrecht bestimmt. Die Atheistische Religionsgesellschaft strebt an, als religiöse Bekenntnisgemeinschaft rechtlich anerkannt zu werden, um volle Gleichberechtigung zu erreichen.
- Religiöse Praxis: Ziel ist es, Religion auch als praktische Lebenshilfe zu verwirklichen, z. B. mit atheistischer Seelsorge nach unserem eigenen Verständnis und in unterschiedlichen kulturellen Räumen. Dies umfasst etwa atheistische Weltinterpretationen, Sinnfindung, Erzählungen und Rituale.
Gesellschaftliche Aspekte
- Wandel der Religionslandschaft: Österreich war lange mehrheitlich römisch-katholisch. Unter anderem durch Zuwanderung und kulturellen Austausch ist das Bild vielfältiger geworden. Die Zahl der staatlicherseits Konfessionslosen („ohne Bekenntnis“, „o. B.“) wächst, und innerhalb der Religionsgemeinschaften (unabhängig von ihrem Rechtsstatus) gibt es Differenzen zwischen den offiziellen Lehren und den Vorstellungen der Mitglieder. Eine gewisse Säkularisierung innerhalb der österreichischen Gesellschaft stellt durchaus auch einen Fortschritt in Richtung mehr Freiheit(en) dar.
- Aktive Teilnahme am Diskurs: Als Atheistinnen und Atheisten beteiligen wir uns aktiv am religiösen Diskurs und an der gesellschaftlichen Aushandlung dessen, was heute als Religion wahrgenommen und praktiziert wird. Wir wollen den gesellschaftlichen Wandel sichtbar(er) machen und neue kulturelle Partizipationsräume eröffnen.
Rechtliche Aspekte
- Rechtsgrundlage: Seit 1998 regelt das Bekenntnisgemeinschaftengesetz den Rechtsstatus staatlich eingetragener religiöser Bekenntnisgemeinschaften, die noch nicht gesetzlich anerkannt sind. Die Atheistische Religionsgesellschaft strebt aktuell den Status einer staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft an.
- Langfristige Ziele: Langfristig soll die Anerkennung als gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft erreicht werden. Dazu werden laut Gesetz etwa 18.000 Mitglieder (2 Promille der Bevölkerung) erforderlich sein.
Wir hoffen, auch einen Beitrag zu leisten, der Atheistinnen und Atheisten dabei unterstützt, ihr individuelles Leben in Freiheit und Gemeinschaft leben zu können. Dazu wollen wir auch ein breites seelsorgerisches Angebot entwickeln.
Weiterführende Links:
- Über das gemeinsame “Träumen” (23.5.2024)
- Atheistische Seelsorge (24.4.2024)
- 28.03.2024: Artikel in der Wiener Zeitung (wienerzeitung.at) (28.3.2024)
- 22.3.2024: Bericht auf religion.orf.at zum heurigen World Atheist Day (23. März 2024) (22.3.2024)
- ARG: Atheismus, Religion und Religionsfreiheit (9.8.2023)
- 23.6.2023: Bericht auf religion.orf.at über unsere “Seelsorge ohne Gott” (23.6.2023)
- Interreligiöser Dialog und Hilfe gegen religiöse Verfolgung: wir verwirklichen beides (1.4.2023)
- Religionskritik (7.3.2023)
- ARG-Audio-Podcast #2 (30.6.2022)
- ARG-Audio-Podcast #1 (10.6.2022)
- Transzendenz (Teil 4/4) (26.9.2021)
- Transzendenz (Teil 3/4) (25.9.2021)
- Transzendenz (Teil 2/4) (24.9.2021)
- Transzendenz (Teil 1/4) (23.9.2021)
Aktualisiert am 22. September 2024.