Am kommenden Sonntag, dem 22.5.2016, findet die Stichwahl statt, bei der der neue Bundespräsident der Republik Österreich gewählt wird. Die beiden Kandidaten, die es in die Stichwahl geschafft haben, Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen, haben gegensätzliche politische Einstellungen und unterschiedliche Verständnisse vom Amt des Bundespräsidenten.
Das Thema, das wir in unserer Serie zu den Wahlen behandelt haben, die persönliche Einstellung der einzelnen Kandidaten zu Religion im Allgemeinen und Atheismus im Speziellen, kann in dieser richtungsentscheidenden Wahl natürlich nur ein Randthema sein. Es ist aber ein Thema, welches für die Atheistische Religionsgesellschaft von Relevanz ist, weshalb wir ihm unsere Beiträge zu dieser Wahl gewidmet haben. Zum Abschluss dieser Serie möchten wir einerseits die Antworten von Norbert Hofer nachreichen, welche wir in der Zwischenzeit erhalten haben, zum anderen möchten wir die Antworten der beiden Kandidaten noch einmal kommentieren.
Fragen und Antworten von Ing. Norbert Hofer
Nachdem wir unsere Fragen an Norbert Hofer vor dem ersten Wahlgang nicht übermitteln konnten, haben wir ihn erneut angeschrieben und diesmal erreicht. Wir erhielten Antworten von seinem Team. Hier ist der Fragebogen mit den Antworten:
1. Zu Beginn stellen wir die Gretchenfrage: Wie halten Sie es mit der Religion? Wie weit beeinflusst Religion bzw. beeinflussen Religionen Ihr politisches Denken und Handeln?
Religion ist für Norbert Hofer in erster Linie Privatsache. Er ist gläubiger Christ, lässt sich aber nicht von religiösen Dogmen in seinen Handlungen beeinflussen. Viele seiner Überzeugungen finden sich, zumindest in abgewandelter Form, in diverser religiösen Ansichten wieder.
2. Was assoziieren Sie im Allgemeinen mit dem Begriff „Atheismus“? Haben Sie einen persönlichen Bezug zu atheistischen Weltanschauungen (z.B. über eigene Überzeugungen oder durch Mitmenschen)?
Norbert Hofer denkt, dass der Atheismus eine Form der Überzeugung ist, die davon ausgeht, dass kein übernatürliches Wesen, das als Gott beschrieben werden kann, existiert. Persönlich hat Norbert Hofer in seinem Umfeld Bekannte, die verschiedene Ansichten zum Thema Religion haben. Natürlich lassen sich darunter auch einige Atheisten finden.
3. Es ist eine Tatsache, dass in den Schriften der monotheistischen Religionen Unglaube und speziell auch Atheismus negativ, teilweise auch herabwürdigend dargestellt werden. Können Sie nachempfinden, dass wir hinsichtlich dieser Tatsache den speziellen Schutz der Religionen durch den §188 des Strafgesetzbuches als äußerst fragwürdig ansehen? Und haben Sie eine Idee, wie dieser unfaire Zustand bereinigt werden könnte?
Der entsprechende Paragraph schützt Religionsgemeinschaften in Österreich und ist dahingehend beizubehalten. Allerdings vertritt Norbert Hofer die Meinung, dass religiöse Äußerungen, die im Konflikt mit den geltenden Gesetzen stehen, natürlich entsprechend geahndet werden müssen. Sollte nun ein Atheist Opfer einer religiösen Tat werden, so muss sich der Täter natürlich vor Gericht verantworten und gegebenenfalls bestraft werden.
4. Wie stehen Sie zu folgenden in Österreich gängigen Praktiken bzw. oft gehörten Forderungen?
– Kreuze in Amtsräumen, Schulklassen und vor Gericht
– Gottesbezug in der Verfassung
– Verpflichtender konfessioneller Religionsunterricht für Schülerinnen und Schüler, die einer anerkannten Religionsgemeinschaft angehören
– Verpflichtender Ethikunterricht für alle Schülerinnen und Schüler
– Verpflichtender Ethikunterricht für jene Schülerinnen und Schüler, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchenZu den einzelnen Punkten:
a. Das Kreuz als Symbol unserer christlich-abendländischen Wertegemeinschaft soll natürlich beibehalten werden.
b. Norbert Hofer sieht keinen Bedarf an einem Gottesbezug in der Bundesverfassung.
c. Schüler sollten die Wahl haben, ob sie dem Religionsunterricht folgen wollen. Lehnen sie den Religionsunterricht ab, so sollen sie einen Ethikunterricht besuchen.
d. Der verpflichtende Ethikunterricht ist für jene Schüler sinnvoll, die keinen Religionsunterricht besuchen.5. Sie haben Informationsmaterial zur Atheistischen Religionsgesellschaft in Österreich bekommen. Wie stehen Sie zum Vorhaben dieser Bewegung, in Österreich den Status einer staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft zu erreichen?
Norbert Hofer steht, wie bereits erwähnt, jeglichen religiösen Bestrebungen neutral gegenüber, solange sie für unsere Gesellschaft keinen Schaden anrichten. Er wünscht Ihnen für Ihr Unterfangen alles Gute!
6. Sehr geehrter Herr Hofer, Ihre Partei, die FPÖ, hatte 2009 den Slogan “Abendland in Christenhand” auf ihren Plakaten. Diese Forderung würde streng genommen dem Prinzip der Trennung von Religion und Staat widersprechen. Wie stehen Sie heute zu diesem Plakatslogan und im Allgemeinen zum Prinzip der Trennung von Staat und Religion?
Die Trennung von Staat und Religion muss unter allen Umständen erhalten bleiben, sie ist ein wesentliches Merkmal eine aufgeklärten Gesellschaft. Der Wahlspruch „Abendland in Christenhand“ bezog sich auf den zunehmenden Einfluss des Islams auf große Teile Europas und auch auf unsere Heimat. Dies wird von Norbert Hofer natürlich entschieden abgelehnt.
Zu den Antworten zu Frage 4 hatten wir noch folgende ergänzende Frage:
Norbert Hofer ist laut diesen Antworten (Anm.: von Frage 4) für die Beibehaltung des konfessionellen Religionsunterrichts, während er den Ethikunterricht nur als Ersatzfach für jene Schüler sieht, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen. Dies würde konsequenterweise bedeuten, dass der Werteunterricht in der Schule nach Religionszugehörigkeit separiert wird, da Kinder katholischer Eltern in der Regel den katholischen Religionsunterricht besuchen, während Kinder muslimischer Eltern den islamischen Religionsunterricht bekommen würden. Wäre es im Sinne der Integration nicht sinnvoller, wenn alle Schülerinnen und Schüler einen gemeinsamen wertebezogenen Unterricht bekommen würden, wie es bei einem gemeinsamen Ethikunterricht als Pflichtfach für alle der Fall wäre?
Ein zusätzliches Fach „Ethik“ oder ähnliches halten wir nicht für sinnvoll. Es gibt jetzt schon zu viele Fächer und täglich gibt es Wünsche von neuen Fächern wie Wirtschaft, politische Bildung, Technik, …
Integration funktioniert nicht mit einem Unterrichtsfach, Integration kann nur gelebt werden und das in allen Fächern und vor allem auch in den Pausen.
Fragen und Antworten von Alexander Van der Bellen
Wir haben vom Team von Alexander Van der Bellen bereits vor dem ersten Wahlgang antworten erhalten. Im Vorfeld der Stichwahl befragten wir ihn noch einmal um vertiefendes Statement, erhielten aber bisher keine Antwort mehr. Wir möchten seine Antworten hier noch einmal wiedergeben.
Alexander Van der Bellen bekam von uns die selben Fragen wie Norbert Hofer gestellt, bis auf Frage 6. Diese Frage an ihn lautete:
Sehr geehrter Herr Van der Bellen, wir erinnern uns an eine Aussage, die Sie vor vielen Jahren gegenüber der „Kleinen Zeitung“ getätigt haben, welche in einer Sonderbeilage zur Nationalratswahl 2002 veröffentlicht wurde. Darin meinten Sie sinngemäß, Ihre zentrale Frage an Gott wäre, „ob das mit den Gelsen wirklich sein musste“. Wir lesen dabei eine gewisse Lockerheit im Umgang mit Gottheiten heraus, vielleicht sogar einen atheistischen Zug. Wie stehen Sie heute zu dieser Aussage? Könnten Sie sich vorstellen unsere Atheistische Religionsgesellschaft im Rahmen des Möglichen zu unterstützen?
Wir erhielten folgende Antwort von seinem Wahlkampfteam:
Wir wissen Ihr Interesse an Alexander Van der Bellens Sichtweise zu den angesprochenen Themen sehr zu schätzen. Wie Sie sich sicherlich vorstellen können, ist die Zeit bis zur Wahl eine sehr intensive und Alexander Van der Bellen ist bis zum Wahltag unermüdlich in Österreich unterwegs bzw nimmt Medientermine wahr. So sind auch die kleinsten Zeitfenster bereits verplant. Die von Ihnen gestellten, sehr tiefgehenden Fragen erfordern jedoch eine intensive Auseinandersetzung mit der Thematik und können nicht „nebenbei“ beantwortet werden. Dies würde auch nicht der Arbeitsweise von Alexander Van der Bellen entsprechen, dem eine eingehende Beschäftigung mit an ihn gestellten Fragen sehr wichtig ist – auch und gerade bei sehr persönlichen Themen wie es die Religion und der Glaube sind. Wir ersuchen daher um Verständnis, dass eine Beantwortung Ihrer Fragen nicht in der von Ihnen gewünschten Detailliertheit möglich ist.
Alexander Van der Bellen ist nicht gläubig im engeren Sinn, er fühlt sich persönlich aber der Botschaft des Neuen Testaments verpflichtet. Etwa der Kernbotschaft des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter, dass nämlich die Not des Anderen uns moralisch zur Hilfe verpflichtet. Für Van der Bellen sind aber kirchliche Organisationen und die vielen freiwilligen Frauen und Männer, die aus einem religiös motivierten Engagement im Sozialbereich, in der Flüchtlingshilfe und vielen anderen Feldern als Teil der Zivilgesellschaft tätig sind, von unschätzbarem gesellschaftspolitischen Wert.
Van der Bellen will ein gutes Verhältnis zu allen Religionsgemeinschaften pflegen, tritt für Religionsfreiheit sowie eine klare und strikte Trennung von Kirche und Staat ein, von der Politik bis zur Schule.
Kommentare zu den Antworten der Kandidaten
Wir möchten zunächst einmal folgendes feststellen: Das Prinzip der Trennung von Staat und Religion scheint von allen relevanten politischen Kräften dieses Landes als wichtiger politischer Grundsatz angesehen zu werden. Klar ist aber auch, dass eine konsequente Trennung auf allen institutionellen Ebenen und damit eine Veränderung der derzeitigen Sonderstellung von Religion offenbar von keiner relevanten politischen Kraft verfolgt wird. Dies manifestiert sich vor allem in den Detailfragen wie dem Schulunterricht oder dem Anbringen des Kreuzes in öffentlichen Gebäuden.
Fast alle Kandidatinnen und Kandidaten, die wir befragt haben, scheinen eine Verbundenheit gegenüber dem christlichen Glauben zu haben, gerade auch die beiden Kandidaten in der Stichwahl. Alexander Van der Bellen erklärte in einem Interview, dass er erwäge, wieder in die Kirche einzutreten, und begründete dies vor allem mit dem sozialen Engagement von kirchennahen Organisationen wie Caritas und Diakonie. Norbert Hofer erklärte in einer Wahldiskussion auf ATV, dass er bei seiner Vereidigung der Gelöbnisformel ein „So wahr mir Gott helfe“ anhängen werde.
Hiermit endet nun unsere Serie zur Bundespräsidentschaftswahl 2016. Wir möchten zum Schluss noch einmal alle Wahlberechtigten dazu aufrufen, am kommenden Sonntag wählen zu gehen und die Stimme nach bestem Wissen und Gewissen abzugeben.