Unser Antrag auf Eintragung als religiöse Bekenntnisgemeinschaft führte zu einem langwierigen und fragwürdigen Rechtsverfahren, dessen Ausgang nun etwa ein Jahr lang beim Verwaltungsgerichtshof hing, der über unsere außerordentliche Revision zu entscheiden hatte. Nun kam das Ergebnis: Der VwGH weist die Revision zurück. Wir sind darüber etwas fassungslos, weil dieser Beschluss, der aus formalen Gründen erfolgte, der gängigen Rechtsprechung inhaltlich zuwiderläuft.
Ein kurze Chronologie: Im Dezember 2019 beantragten wir beim Kultusamt die Eintragung als religiöse Bekenntnisgemeinschaft. Dieser Antrag wurde per Bescheid im Oktober 2020 abgewiesen. Dagegen legten wir Beschwerde ein, die zu einem Verfahren beim Verwaltungsgericht Wien (VGW) mit einem abweisenden Erkenntnis im Juni 2022 führte, das aus unserer Sicht einige grundsätzliche Mängel aufwies. Dagegen erhoben wir 2023 eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH), die nun Ende Jänner 2025 zurückgewiesen wurde.
Unsere Revision beinhaltete als einen zentralen Punkt die Kritik, dass das Verwaltungsgericht Wien seine Entscheidung nicht ausreichend begründete. Das VGW hatte einen Gutachter beauftragt, auf dessen Gutachten es sich im Wesentlichen bezog. Der Gutachter nahm darin sowohl Beweiswürdigung als auch Entscheidung quasi vorweg, das Gericht griff das dann einfach auf. Diese Praxis wurde schon mehrfach von VfGH und VwGH kritisiert, in ähnlichen Fällen wurden Entscheidungen deswegen auch aufgehoben. Unser Anwalt, Ralf Niederhammer, schreibt dazu in einer ersten Stellungnahme:
„Dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichts sind weder eigene Feststellungen noch eine eigene rechtliche Beurteilung zu entnehmen. Vielmehr hat sich das Verwaltungsgericht auf die Wiedergabe des Gutachtens beschränkt und auch die rechtliche Würdigung des Sachverständigen übernommen. Dass ein mit derartigen Begründungsmängeln belastetes Erkenntnis nicht vom VwGH behoben wird, ist angesichts der dazu ergangenen Rechtsprechung des VwGH – auf die auch in der Revision hingewiesen wurde – nicht nachvollziehbar.“
Auch in anderen Aspekten war das Verfahren beim VGW aus unserer Sicht nicht fair. Wo der Gerichtsgutachter de facto fast ein Jahr Zeit für sein Gutachten hatte, wurden uns für unsere Stellungnahme dazu de facto 10 Tage gegeben. Eine Manuduktion, also Anleitung durch den Rechtsdschungel, die uns zugestanden wäre, wurde in wichtigen Punkten nicht gegeben.
Im Kern drehte sich die ablehnende Haltung des Kultusamtes um die Frage, ob unsere Lehre als religiöse Lehre gelten kann. Wir holten dazu Stellungnahmen des renommierten Ao. Universitätsprofessors für Religionswissenschaft Gerald Hödl ein. Diese wurden aber links liegen gelassen, ohne dass das Kultusamt oder das Gericht dies begründet hätten. Auch unser mehrfacher Antrag, ihn vor dem VGW als Zeugen zu vernehmen, wurde ohne Begründung übergangen. Die vom Gericht berücksichtigten gutachterlichen Einschätzungen zu dieser Frage wurden von einem evangelischen Theologen und einem katholischen Religionsrechtler vorgenommen. Unsere eigene Religionslehre, unser eigenes religiöses Verständnis und unsere Bezugnahme auf Transzendenz wurden immer nur unter der Perspektive eines eng gefassten christlichen Transzendenzverständnisses geprüft.
Bis heute konnte uns nicht nachvollziehbar gemacht werden, wie unsere Religionslehre, die sich explizit auf die Frage der Existenz nach dem Tod bezieht, keinen Transzendenzbezug aufweist oder wieso ein solcher Transzendenzbezug weniger religiös sei als der von anderen Religionsgemeinschaften. Das sind nur einige wenige Beispiele dafür, wie Kultusamt und VGW einseitig vorgegangen sind.
Henry Ford soll einmal gesagt haben: „Natürlich ist unser Modell T in allen Farben lieferbar, vorausgesetzt die Farbe ist schwarz.“ Daran fühlen wir uns erinnert: Natürlich darf jede religiöse Bekenntnisgemeinschaft eingetragen werden, vorausgesetzt sie passt in die Schablone christlicher Perspektive.
Diese unerfreulichen rechtlichen Entwicklungen hindern die ARG nicht daran, weiterhin auf vielfältige Weise aktiv zu sein. Wir laden alle interessierten Menschen herzlich zum Besuch unserer Veranstaltungen und überhaupt zum Kennenlernen unserer Atheistischen Religionsgesellschaft ein.
Das Präsidium der Atheistischen Religionsgesellschaft in Österreich (ARG)
Aus “formalen” Gründen zurückgewiesen lässt die Möglichkeit offen, nochmal (und dann möglichst) formal einwandfrei Revision zu beantragen?
Und wenn ich es richtig verstehe wäre der Gang zum VfGH in jedem Fall noch möglich?
Nein, eine Revision im selben Verfahren derselben Sache ist nun – kurz gesagt – nicht mehr möglich. Die formalen Gründe beziehen sich auf die Zulässigkeitsbegründung unserer eingebrachten Revision. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) als das verwaltungsrechtliche Höchstgericht hat beschlossen, die Revision zurückzuweisen, weil es die Zulässigkeitsbegründung unserer Revision nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs dem Verwaltungsgerichtshof nicht ermöglicht hat, die Zulässigkeit der Revision festzustellen; und eine inhaltliche Behandlung einer nicht zulässigen Revision ist dem Verwaltungsgerichtshof von Gesetzes wegen nicht möglich.
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) wiederum hat bereits vor dem Verwaltungsgerichtshof entschieden und beschlossen, die Behandlung der von uns an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde gegen das abweisende Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien abzulehnen. Diesen Beschluss findest du hier: https://atheistisch.at/wp-content/uploads/2023/03/VfGH-E-2486.2022-5-ablehnender-Beschluss-vom-28.02.2023.pdf Damit ist eine weitere derartige Beschwerde von uns an den Verfassungsgerichtshof im selben Verfahren derselben Sache ebenfalls – kurz gesagt – nicht mehr möglich.
Was nun wieder möglich wäre (bzw. ist) ist zum Beispiel ein gut ausgearbeiteter neuer Antrag auf staatliche Eintragung als religiöse Bekenntnisgemeinschaft beim Kultusamt. Ein Knackpunkt dabei ist: In so einem neuen Antrag muss es rechtlich gesehen um eine neue Sache gehen, sonst handelt es sich ja eben um eine Sache, zu der nun bereits eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt, wodurch eine inhaltliche Behandlung des Antrags rechtlich ausgeschlossen wäre.
Eine kurze Chronologie findest du hier: https://atheistisch.at/eintragungsverfahren/
LG Wilfried
Ein neuer Transzendenzbezug ist ja wohl eine so große Änderung, dass man neu beantragen kann. Auch andere Gemeinschaften haben schon einen zweiten Anlauf gebraucht.
Aber die Frage ev. Befangenheit von katholischen EntscheidungsträgerInnen wegen KKK 2087 sollte vorher geklärt werden, da sollte sich die Kanzlei damit befassen. Ich habe das ja auch gleich an div. kompetente Ansprechpersonen gerichtet.
Ich nütze die Gelegenheit, hier eine Information von möglicherweise allgemeinem Interesse zu hinterlegen:
S120100/92-STR/2025 ist die Geschäftszahl, unter der die Präsidentschaftskanzlei u.a. die oben angesprochene Frage ev. Befangenheit infolge katholischen Glaubens ans Kulltusamt weitergereicht hat.
Ich gehe davon aus, dass allenfalls erforderliche staatliche Konsequenzen auch ohne mein Zutun erfolgen – fühle mich aber doch besser, zu wissen, dass auch im Fall meiner ev. Geschäftsunfähigkeit jemand danach schauen könnte.
Aus ähnlichem Grund hier eine weitere Geschäftszahl dokumentiert:
S711900/52-STR/2025