Es ist Advent. Wie immer versammeln sich Götter zum Advent-Kampf in der politischen Arena und lassen ihre Kirchen gegeneinander kämpfen. Zum Glück geschieht das in einem weitgehend säkularisierten Österreich im politischen und unbewaffneten Diskurs.
Auf der einen Seite Mammon, die ÖVP und entsprechende Teile der Wirtschaft, insbesondere des Handels. Ihr Glaubensgrundsatz: Längere Öffnungszeiten und Sonntagsöffnung bringen das Heil: Mehr Umsatz.
Auf der Gegenseite positionieren sich die Kirchen des Christentums, die den Tag ihres Herrn heiligen wollen, und als unwahrscheinlicher Verbündeter die Gewerkschaftsbewegung, die den arbeitsfreien Sonntag heiligen will: Ihr Credo, so könnte man unterstellen: Nicht alle Lebensbereiche dürfen der Profitmaximierung unterworfen werden.
Als Atheist/in oder Agnostiker/in hat man jetzt im Wesentlichen drei Möglichkeiten:
a) Sich zurückhalten und akzeptieren, was andere für einen entscheiden.
b) Sich auf die Seite Mammons schlagen.
c) Sich für den freien Sonntag einsetzen.
(Sollte ich eine vierte Möglichkeit übersehen haben, bitte ich um
Rückmeldung in den Kommentaren!)
Sich zurückhalten ist immer eine Möglichkeit, sie bedeutet den Verzicht auf demokratische Anteilnahme und überlässt anderen das Feld. Sie ist kein aktiver Zugriff und Zugang zum Leben und zur Gesellschaft.
B und C haben eines gemeinsam: Es ist ein Mitwirken und heiligt damit die eine oder die andere soziale Norm: Was ist heiliger? Möglichst gute Wirtschaftszahlen oder ein freier Sonntag? Wovon wollen wir in unserem Leben mehr haben? Was sind wir bereit für diese soziale Norm zu opfern?
Vor einigen Jahren gelang Mammon ein Sieg über seine Gegner und der 8. Dezember wurde grundsätzlich für den Handel geöffnet. Die Gewerkschaften konnten immerhin noch erwirken, dass er wie ein Feiertag bezahlt werden muss. Doch die Auseinandersetzung geht schon in die nächste Runde: Mammon will die Sonntage! Das Match bleibt spannend. Besonders für alle Handelsangestellten und deren Angehörige, die im Advent ohnehin bereits sehr gefordert sind.
Ich beende die Berichterstattung und komme zur persönlichen Meinung: Persönlich stehe ich auf der Position C: Natürlich könnte man den Sonntag für den Handel öffnen, und man könnte statt am Sonntag auch am Dienstag den freien Tag einführen. Aber!
*Für viele Familien und Freundeskreise ist es so schon schwer genug gemeinsame freie Tage für Unternehmungen zu finden. Der Sonntag eignet sich dazu!
*Das Verbot der Sonntagsöffnung führt dazu, dass einem die relative Ruhe in der Öffentlichkeit begegnet. Sie ist spürbar und spricht zum Individuum: Heute ist ein Ruhetag. Es ist in Ordnung, heute nicht produktiv zu sein! Geh die Dinge langsam an, die nächste Woche kommt bestimmt. Wenn wirklich an allen 7 Tagen der Woche gearbeitet wird, geht dieser kulturelle Impuls verloren, und der Einzelne ist seinem inneren Getriebensein viel wehrloser ausgesetzt.
Nikolaus Bösch-Weiss