Die Ruhe vor dem Sturm


Worte zum Sonntag.
Ein anderes Tempo

Der Wert der Gemeinschaft zeigt sich in der Krise noch deutlicher. Auch wenn wir die Gemeinschaft jetzt digital organisieren müssen.

Plötzlich “Hausarrest”

Gerade noch war Wahlkampf in der Steiermark. Und alle wahlwerbenden Parteien waren mit Hochdruck dran, ihr Programm und ihre Kandidat/innen bei den Leuten bekannt zu machen. Das Leben war im Hochbetrieb. Am Dienstag Abend schoss die erste Durchsage ein. Es wird sich was ändern.

Am Mittwoch ging es um die Frage, ob die Veranstaltungsreihe “Kulturtage” bei uns im Ort durchgeführt werden kann, oder ob wir absagen – es war noch nicht ganz klar, was kommen würde. Und Schritt für Schritt war klarer: Das normale Leben setzt jetzt aus.

Jetzt ist Wochenende, wir sind daheim. Jetzt ist ein bisschen Zeit zum Nachdenken. Alles ist so merkwürdig … ruhig.

Zeit nachzudenken:

Es kommen große Veränderungen über uns. Also sie sind schon da. Die Frage ist: Kann es wieder werden, wie es war? Soll es das überhaupt?
Ich habe keine Ahnung, wie viele Leute jetzt wirklich an dieser Pandemie sterben werden. Wie schlimm es so gesehen wirklich wird. Darüber kann ich jetzt nichts sagen. Wir werden es alle erst wissen, wenn wir durch das ärgste durch sind. Ich hoffe natürlich das Beste. Hab aber wenig in der Hand.

Worüber kann ich also nachdenken, als nicht-Mediziner: Es ist absehbar, dass viele Menschen jetzt nicht arbeiten gehen können. Dass viele Unternehmen still stehen werden. Dass wir wirtschaftlich auf Pause stellen. Schon jetzt fordern einige Unternehmen nach Sonderrechten um Personal im Regen stehen lassen zu dürfen. Ich bin studierter Ökonom. Was immer das genau heißt: Es heißt vor allem, dass ich versuche wirtschaftlich-politische Zusammenhänge zu verstehen. Was ergibt sich aus der Momentanen Situation?

9 Gedanken

1. Der Staat kann, wenn er will / wenn erkennt, dass er muss.

2. Der Sozialstaat ist dem Egoismus-Staat überlegen. Wenn alle ihre Sozialkontakte vermeiden sollen, aber ökonomisch gezwungen sind, weiter zu machen wie bisher, weil sie nicht wissen wie sie sonst über die Runden kommen: Dann sind wir gezwungen, weiter zu machen, und verschlimmern die Lage weiter. Nur die Sicherheit: Wir schauen aufeinander, und es wird auch auf mich geschaut, gibt die Möglichkeit ruhig daheim zu bleiben. Der Sozialstaat ist resilienter, krisensicherer.

3. Der neoliberale Effizienzbegriff könnte viele tausende Leben kosten – Weil er die Resilienz ignoriert. Resilienz ist die Fähigkeit auf Krisen zu reagieren. Wenn die Situation so ernst wird, wie Italien derzeit befürchten lässt, dann wird es sich rächen, dass man den laufenden Betrieb so knapp am Limit führt. Dass nicht mehr Reserven für Extremfälle zurückbehalten worden sind. Natürlich: Reservenhaltung kostet. Aber Sie ist dann unbezahlbar, wenn sie tatsächlich gebraucht wird. Oder in anderen Worten: „Wenn es brennt, ist es zu spät, eine Feuerwehr zu gründen.“

4. Wer hat eigentlich damals drauf beharrt, dass es für das Medizin-Studium Aufnahmebeschränkungen gibt? Wer hat sich dagegen gewehrt, die Pflegeberufe (auch finanziell) attraktiver zu machen? Ich kenne Menschen und politische Gruppen, die immer darauf hingewiesen haben, wie wichtig diese Berufe sind. Wurde auf diese gehört? Wurden diese gewählt? – Ist der Neoliberalismus jetzt dann endlich fertig? Hören wir vielleicht mehr auf die PflegerInnen als auf die Unternehmensberater?

5. „Eine Stimmung zwischen Zombie-Apokalypse und Urlaub“ – So bezeichnete ein Freund die Surreale Situation des Wartens. Die Reduktion der Arbeit und Geschäftstätigkeit auf’s Wesentliche könnte zu einem allgemeinen Umdenken führen: Wie wichtig sind Wirtschaftsdaten und Zahlen, die in Euro gemessen werden, wenn dafür Zeit mit der Familie drauf geht? Jetzt ist Zeit für Familie. Jetzt sehen wir, wie das Leben auch anders sein könnte… Werden wir uns All-In-Verträge und 60-Stunden Woche wirklich wieder bieten lassen?

6. Es kommt jetzt drauf an, dass „Alle müssen zusammenhalten“ nicht heißt, dass die Banken und großen Unternehmen gerettet werden, und die Arbeiterinnen und Klein-Unternehmen auf ihren Kosten sitzen bleiben. Gerade jetzt wäre es wichtig zu sagen: Ja, auch die Gläubiger müssen ihren Beitrag leisten, und das heißt, Schulden – zumindest Zinsen auszusetzen. Jetzt müssen die mehr Beitragen, die mehr Möglichkeiten haben, beizutragen. Echte Umverteilung von in diesen Zeiten der Krise.

7. Wir werden merken, wie wichtig der soziale Kontakt ist, jetzt wo wir auf „Entzug“ gesetzt werden. Das sollten wir nicht vergessen. Organisieren wir uns, lasst uns telefonisch in Kontakt sein. Reden wir uns mit unseren Nachbarinnen zusammen und schauen, wie wir einander helfen, für einander da sein können. (Erkundigt euch zur Not, was für Kummernummern es in eurem Umkreis gibt!) Und vielleicht bleibt die Erfahrung auch erhalten, wenn der Normalbetrieb wieder einsetzt.

8. Wenn es so kommt, wie es vorhergesagt wird, müssen wir aufpassen, dass wir nicht ins Krankenhaus müssen. Wenn die Spitäler ausgelastet sind, können auch kleine Verletzungen zum großen Problem werden. Passt auf euch auf. Zum ersten Mal erleben wir in Österreich, dass wir kein medizinisches Sicherheitsnetz haben …

9. Bleibt daheim, wenn ihr nur irgendwie könnt. Ihr schützt nicht nur euch, sondern auch alle, die ihr eventuell infizieren würdet. Wenn ihr es schon nicht für euch tun würdet… Denkt an die anderen.

Das sind mal einige Gedanken. Ich habe sicher was vergessen, und würde mich freuen, wenn Ihr mir hier noch ein paar Anregungen da lasst. Zum Beispiel Gedanken, die ihr euch zu meinen Gedanken gemacht habt…
Ihr könnt mir auch gerne widersprechen. Aber nutzen wir doch diese Zeit, um ein bisschen nach- mit- und voraus-zu denken.


Über Nikolaus Bösch-Weiss

Seit ca. 10 Jahren ist Nikolaus Bösch-Weiss bei der Atheistischen Religionsgesellschaft. Dabei interessiert er sich sowohl für die theoretischen und philosophischen Verwinklungen , als auch für deren praktische Umsetzung. Als Landbewohner mit Migrationshintergrund aus der Stadt versucht er Brücken zu bauen, und verschiedene Zugänge zusammen zu führen.

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