Für alle, die sich wundern, was wir so treiben, und für alle, die sich wundern, wie es sich eigentlich richtig gehören würde, hier ein Versuch einer allgemein verbindlichen Antwort: Nein.
Mal im Ernst: Wenn es keinen Gott gibt, wieso sollte es dann eine eindeutige Vorschrift geben, wie man Weihnachten zu feiern hat? Und wieso sollte es uns wichtig genug sein, dafür Vorschriften zu machen? Allerdings glauben wir, dass der Jahreswechsel, die Wintersonnwende, das Weihnachtsfest schon gut dafür geeignet ist, tatsächlich inne zu halten und im Leben Raum für Zeremonie und Ritual zu schaffen. Das kann dabei natürlich so vielfältig sein wie die Menschen selbst.
Viele unserer Mitglieder sind ursprünglich ins Christentum „hineingeboren“ worden, als Kind getauft und mit dem weitverbreiteten Weihnachten aufgewachsen. Christbaum, Christbaumkugeln, Lametta, Kerzen, Liedersingen, Geschenke unterm Baum. Ein schönes Fest eigentlich. Und wenn man bei den Liedern ein wenig umtextet, dann geht es um die Dunkelheit, um lange Nächte, um eine kalte Zeit, und um das Wissen: Es wird wieder der Frühling kommen. Ab jetzt werden die Tage wieder länger. Das Licht und die Wärme kehren zurück: Wir feiern das Grün des Tannenbaums und das Licht, das wir an seinen Zweigen festmachen. Einige unserer Mitglieder sind Ex-Muslime, andere wurden schon konfessionsfrei erzogen: Sie haben gemeinsam, dass es kein Weihnachtsfest in dem Sinne gibt. Aber sofern sie in Österreich leben, werden sie dem Kultur-Trubel um das Weihnachtsfest ohnehin nicht ganz entkommen. Die Dauerbeschallung auf allen Frequenzen wird möglicherweise Spuren hinterlassen. Das Aufstellen eines Weihnachtsbaums wird wohl keine Kindheitserinnerungen wecken. Man kann es ja trotzdem versuchen, auch als magisches Ritual, um das Leuchten in die Kinderaugen zu zaubern. Man muss aber nicht.
Man kann die gesetzlichen Feiertage auch dafür nutzen, endlich mal Zeit zu haben, für Familie und Freunde, für Serien-Marathon oder für Jahres-Rückblicke. Allein physikalisch lässt sich ja beobachten: Die Tage sind immer kürzer geworden, der Sonnenwinkel immer flacher. Und jetzt ist Trendumkehr. Eine Talsohle wird durchschritten. Was kann uns das über das Leben sagen? Vielleicht kann man sich auch mit den eigenen persönlichen Krisen auseinandersetzen, und sie in einem Sonnwendfeuer – zur Not einer Kerze – verbrennen. Was will man im alten Jahr zurücklassen? Was in das neue Jahr mitnehmen? Was soll die Zukunft bringen?
Aus dem Bereich der Wissenschaft bietet sich außerdem noch an, den Isaac Newton Day (26.12.) zu feiern. Oder man nimmt das Entstehungsdatum des Fotos „Earthrise“ am 24.12.1968 zum Anlass, sich ein wenig vor Augen zu halten, wie unsere Existenz sich in das „Große und Ganze“ einfügt. Was wir wissen, was wir nicht wissen. Wie wir alle zusammen auf einem Planeten leben, gar nicht so groß, der von viel Nichts umgeben wird. Wie wir als kleine organische vergängliche Wesen so unbedeutend sind, und doch miteinander unser Schicksal schmieden, ob wir wollen oder nicht.
Das sind einige Ideen, ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit. (Wie) feiert ihr? Findet ihr die Wintersonnwende einen guten Anlass zum Feiern? Findet ihr, man kann religiöse Traditionen „ernten“ und mit neuem Sinn versehen? Oder lehnt ihr das ab?
Lass uns doch gern in den Kommentaren wissen, wie du das angehst!
wieso, das weihnachtsfest ist doch schon ein “ernten” des viel älteren brauchs der wintersonnenwende-feier. da wurde ein fest, das man den leuten sowieso nicht abgewöhnen konnte, mit “neuem sinn” versehen, wenn es auch ein paar tage später gefeiert wird.
man kann es einfach wieder “zurückdeuten”, wenn man will.
Liebe Sonja Tauber!
Da stimme ich dir einigermaßen zu. In welcher Form gefeiert wird, und welche emotionalen Verbindungen wir zu dem Fest haben, hat sich kulturell sicher auch verändert. Die Saturnalien waren sicher dem Fasching näher, als unserem heutigen Weihnachten.
Worum es in erster Linie ging, war dass wir uns das Fest nicht madig machen lassen, weil es derzeit in der Mehrheitsgesellschaft unter christlichem Stern steht. Wie wir dann diese “Wiederaneignung” nennen, ist quasi schon eine Detailfrage.