Gedanken zum Stand unseres Verfahrens 5


Wenn man selbst sich zu einer Religion bekennt, fällt es unter Umständen schwer, sich vorzustellen, dass jemand anderer das einfach nicht versteht oder glauben kann. Ich weiß daher nicht, ob das Kultusamt uns ablehnen wollte, weil es seinen Auftrag so versteht, die bereits bestehenden Religionsgemeinschaften vor Neulingen (wie uns) zu schützen, oder ob sie sich wirklich nicht vorstellen können, dass wir es ernst damit meinen, eine Atheistische Religionsgesellschaft zu sein.

Stutzig macht mich aber schon, dass die Expertise von Univ.-Prof. Hans Gerald Hödl, Religionswissenschaftsprofessor an der Uni Wien, bisher so wenig Eingang in das Verfahren gefunden hat.

Prof. Hödl meint (sinngemäß): Religion beginnt da, wo Menschen sich mit ihrer Orientierung in Hinblick auf das Weltganze beschäftigen und dementsprechende Fragen stellen – Fragen wie “Was bedeutet unser Dasein?” sind zentral religiöse Fragen -, und kommt zu dem Schluss: Unabhängig von der Antwort ist das eine religiöse Beschäftigung mit der Welt. Unabhängig von der Antwort deswegen: Wer könnte jetzt beurteilen, ob die Antwort ausreichend “religiös” ist? Wer ist selbst so frei von Vorurteilen, dass er gerecht entscheiden kann, ob die religiöse Bezugnahme eines Anderen ausreichend religiös ist? Wer darf überhaupt die Kriterien dafür festlegen? In unserem Fall gibt es ein Gesetz, das einen unbestimmten Begriff von Religion aufweist. Viel kann darunter fallen, es kommt auf die Ausdeutung an. Aber wer darf diese Ausdeutung vornehmen, und welche Rolle spielt dabei unser eigenes Selbstverständnis?

Man konnte bei der Verhandlung heraushören, dass manche unserer Gegenüber einfach nicht glauben konnten, dass wir nicht einfach eine “Weltanschauung” haben, sondern eben durchaus auch eine Religion haben und eine Religionsgesellschaft sind. Vergleiche mit “dem Kommunismus” sind gefallen. Auch Weltanschauungen entwickeln ein umfassendes Weltbild und verorten den Menschen in der Welt und die Welt in Bezug auf den Menschen. Sie legen dabei aber andere Schwerpunkte als Religionen.

Für Religionen und auch uns wichtige Fragen sind zum Beispiel: Wie gehe ich mit meiner individuellen Sterblichkeit um? Was tröstet mich? Kann ich Sinn oder zumindest Verbundenheit mit der Welt daraus beziehen, wenn ich die Entstehungsgeschichte alles dessen, was jetzt gerade meinen Körper am Leben hält, zurückverfolgen kann, bis zur Entstehung der Menschheit, des Lebens, des Planeten, des Sonnensystems?

In der Lehre der ARG bekommen Gottheiten bzw. Ideen ihre Macht durch den Glauben und das Handeln der Menschen. Bildlich dargestellt hier als “Leviathan”. Wir haben also auch Verantwortung in Hinblick darauf, welche Götter wir stark werden lassen. (Bild: Leviathan, wikimedia, gemeinfrei)

Die Psychologin Tatjana Schnell, die sich eingehend mit Glücks- und Sinnforschung befasst, ist zu dem Schluss gekommen, dass Menschen, die in der Sinndimension gut orientiert sind, durchschnittlich eine höhere Lebenszufriedenheit aufweisen. An einem ihrer Workshops durften auch Vertreter der ARG teilnehmen. Tatsächlich ist es einer unserer Ansprüche, “Konzepte für wirksame und heilsame Seelsorge zu erarbeiten und diese Seelsorge dann zu verwirklichen”. Dazu zählt für uns, tragfähige Geschichten anzubieten und aufzubereiten, die bei der Orientierung helfen können. Aber auch Zeremonien und Rituale, die die Bedeutung einzelner Lebensereignisse begleiten und damit dazu beitragen können, die eigene Lebenserzählung bewusster zu gestalten (bleibende Erinnerungen).
Natürlich noch mehr, auf das ich gerne an anderer Stelle zurückkomme.

Ich verstehe, dass ein Christ, dessen Weltbild stark kirchlich geprägt ist, verwundert sein mag. Das ist ok. Jemand, der außerhalb der Kirche aufgewachsen ist, wundert sich vielleicht auch über Aspekte eines christlichen Weltbilds. Aber religiöse Neutralität des Staates heißt, dass nicht eine Religion zum Kriterium, zur Schablone, zum Maßstab für alle anderen Religionen genommen werden darf. Religionsfreiheit muss heißen, dass ich selbst entscheiden darf, was der Bezugspunkt meiner religiösen Bezugnahme ist.

Wie sehr können wir uns vorstellen, dass alles, was uns im Alltagsleben umgibt, auf dieser kleinen Murmel stattfindet? Was geschieht mit uns, wenn wir die Perspektive von Außen einnehmen? (Bild: Blue Marble, NASA, gemeinfrei)

Ich hoffe, dass das Gericht den hervorragenden, religionswissenschaftlich begründeten Ausführungen von Univ.-Prof. Hödl folgen kann und in diesem Zusammenhang auch die von mir dargestellten Zugänge mitvollzieht und letztlich eben zu demselben Schluss kommt: Die Ablehnung durch das Kultusamt war falsch. Die angelegten Kriterien für Religion standen der religiösen Neutralität und der Religionsfreiheit entgegen. Es handelt sich bei der Atheistischen Religionsgesellschaft um eine Religionsgesellschaft.


Über Nikolaus Bösch-Weiss

Seit ca. 10 Jahren ist Nikolaus Bösch-Weiss bei der Atheistischen Religionsgesellschaft. Dabei interessiert er sich sowohl für die theoretischen und philosophischen Verwinklungen , als auch für deren praktische Umsetzung. Als Landbewohner mit Migrationshintergrund aus der Stadt versucht er Brücken zu bauen, und verschiedene Zugänge zusammen zu führen.

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5 Gedanken zu “Gedanken zum Stand unseres Verfahrens

  • Thomas Wanka

    Hi,

    Du verstehst das nicht, weil Du nicht Jus studiert hast.

    Der Punkt ist, dass die Republik Österreich keine Pflicht hat, Religionen gesetzlich anzuerkennen, solange die Menschenrechte auf freie Religionsausübung etc. nicht verletzt sind.

    Im Verfahren gegen die Kirche des fliegenden Spaghettimonsters vor einigen Jahren wurde das ausführlich erörtert.

    Die Republik hat ein Instrument geschaffen, um bestimmte Personengruppen die einem Glauben angehören zu privilegieren.
    Genauso hat die Republik ein Instrument geschaffen, um bestimmte Personengruppen die eine Firma haben wollen zu privilegieren.

    In beiden Fällen kann die Republik eigenständig Kriterien festlegen, es werden dadurch keine Rechte anderer Personengruppen maßgeblich verletzt.

    Im einen Fall sind es 300 Mitglieder und Messen, im anderen Fall sind es 70.000 Euro Stammkapital und ein Aufsichtsrat aus mindestens 3 Personen (um jeweils 2 Beispiele zu nennen).

    Es ist nun nicht sehr clever zu jammern “Ich habe keine 70.000 Euro und kann keinen Aufsichtsrat bezahlen, ich will aber trotzdem eine AG sein”. Ebensowenig ist es clever zu jammern, dass man die Voraussetzungen für die Eintragung oder Anerkennung nicht erfüllt.

    Abgesehen davon verstehst Du die Aufgabe des Verwaltungsgerichts Wien nicht korrekt: seine Aufgabe ist zu erörtern, ob das Kultusamt die Gesetze richtig angewendet hat, nicht, ob die Gesetze an sich richtig sind. Dafür hätte man eine Individualbeschwerde beim VfGH einbringen müssen.

    Schlussendlich aber übersiehst Du einen ganz relevanten Punkt: Wir haben in Österreich die Religionsfreiheit! Sehr umfassend!
    Denn natürlich handelt sich bei der Atheistischen Religionsgesellschaft um eine Religionsgesellschaft! Wir erfüllen nur offenbar nicht die Kriterien, um kraft Gesetz privilegiert zu sein. Aber wir sind als Religionsgesellschaft geschützt wie jeder andere auch, wir können unsere Religion zelebrieren, sogar öffentlich, …. es ist alles wunderbar!

    Niemand sagt, dass wir keine Religionsgesellschaft wären! Wir, als Religionsgesellschaft, erfüllen nur nicht die Kriterien ums als solche Eingetragen zu werden, wir haben aber nunmehr die Möglichkeit, als religiöser Verein Rechtspersönlichkeit zu erlangen.

    LG Tom

    • Nikolaus

      Hallo Tom!

      Wenn du auf die Stelle im österreichischen Recht verweisen kannst, wo es heißt, was genau unter Religion zu verstehen ist, bitte darum. Wenn du erklären kannst, wieso manche Religionen eingetragen/anerkannt werden, und andere nicht, dann erklär mir bitte was der Gleichbehandlungsgrundsatz ist, und was er bedeutet?

      Nein ich habe nicht Jus studiert. Aber wenn am Schluss herauskommt, dass die Republik Österreich eine Staatsreligion hat, die entscheiden darf, was anerkannt wird und was nicht, dann ist es gegebenenfalls nicht so weit her mit der Gleichheit.

    • Wilfried Apfalter

      Hallo Tom!

      Du hast geschrieben: “Dafür hätte man eine Individualbeschwerde beim VfGH einbringen müssen.” Meinst du damit einen “Individualantrag”? Eine “Beschwerde” an den Verfassungsgerichtshof ist, soweit ich sehe, erst nach einer Entscheidung des zuständigen Verwaltungsgerichts möglich. Derzeit liegt uns erst der Bescheid der zuständigen Behörde, aber noch keine Entscheidung des für unsere Bescheidbeschwerde zuständigen Verwaltungsgerichts vor. Ein “Individualantrag” wiederum hat, soweit ich sehe, ebenfalls bestimmte Voraussetzungen: die antragstellende Person muss – kurz gesagt – eine unmittelbare Verletzung in ihren Rechten durch eine Gesetzesbestimmung behaupten, wobei “das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für die Person wirksam geworden” sein muss (Artikel 140 Absatz 1 Ziffer 1 Buchstabe c Bundes-Verfassungsgesetz).

      • Thomas Wanka

        Hi Wilfried,

        selbstverständlich ist es ein Antrag, keine Beschwerde.

        Und die Voraussetzungen – wie Nikolaus ausführt – sind gegeben, Gleichbehandlungsgrundsatz.

        Hi Nikolaus,

        natürlich kann ich das, detailliert findest Du die Rechtsgrundlagen, “was genau unter Religion zu verstehen ist” im Urteil gegen die Kirche des fliegenden Spaghettimonsters. Die sind – soweit ich weiß – alle Instanzen durchgegangen, bis zum EGMR. Es dürfte also die Entscheidung bzw. die Rechtsgrundlage verfassungskonform sein.

        Der Gleichbehandlungsgrundsatz bedeutet, dass alle, die die (beliebig festgesetzten Normen erfüllen) gleich behandelt werden.

        Es ist z.B. wie im Firmenbuch. Erfüllst Du alle nötigen Dinge, dann darfst Du eine GesmbH gründen. Erfüllst Du die Anforderungen nicht, dann darfst Du es nicht.

        Genauso verhält es sich mit der “staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft”. Erfüllst Du die Anforderungen hast Du einen Rechtsanspruch, tust Du es nicht, dann eben nicht.

        Und in Österreich gibt es offenbar keine Staatsreligion, die etwas entscheidet, sondern gewählte Volksvertreter die das tun.

        Und die Gleichheit ist erfüllt, wenn Du gleich bist, wie andere, dann passt alles.

        Du fühlst Dich offenbar in Deiner Gleichberechtigung verletzt, weil Du anders bist als die anderen, aber genauso behandelt werden willst. Und da ist der Widerspruch: Du sagst selbst, dass wir nicht so sind wie die anderen, willst aber genauso behandelt werden, wie die anderen. Die Logik gebietet, dass das so nicht gehen kann.

        Du berufst Dich nicht auf die Gleichheit sondern auf die Unterschiedlichkeit! Du willst die Integration, nicht die Gleichbehandlung.

        Die Verfassung erlaubt Dir nur zu sagen “Wir sind genau das selbe wie die z.B. Katholische Kirche, wir müssen daher gleich behandelt werden” (simplifiziert).

        Dein Ansinnen “Wir sind ganz anders als z.B. die Katholische Kirche, wir wollen aber trotzdem gleich behandelt werden” ist nachvollziehbar, aber eben nur politisch umzusetzen.

        LG Tom

        • Wilfried Apfalter

          Hallo Tom!

          Du schreibst: “Die Verfassung erlaubt Dir nur zu sagen “Wir sind genau das selbe wie die z.B. Katholische Kirche, wir müssen daher gleich behandelt werden” (simplifiziert).” Das ist zu sehr vereinfacht. Gerade unter den Religionen gibt es – in mehrfacher Hinsicht – mitunter große Unterschiede und eine bemerkenswerte Vielfalt. Und dennoch sind alle Religionen das, was sie sind: Religionen.