Zum Umgang mit dem JLRS-Artikel im Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 1. Juni 2022


Das Verwaltungsgericht Wien (VGW) schreibt in seinem Erkenntnis vom 1. Juni 2022 (z.B. in der anonymisierten RIS-Fassung des VGW-Erkenntnisses auf Seite 43): “Der Beschwerde war als Beilage der Fachartikel „Is an Atheist Religion in Austria Legally Possible“ von Brill Nijhoff (Journal of law, religion and state 8 [2020] 93- 123) beigeschlossen. In diesem wird wörtlich ausgeführt: […]”

Das klingt irgendwie so, als wäre ein gewisser Brill Nijhoff der Autor dieses JLRS-Artikels. Ein “Brill Nijhoff” ist allerdings nicht der Autor des Artikels. “Brill” ist der Verlagsname, “Brill Nijhoff” ist ein Imprint dieses Verlages. Der Autor des Artikels ist, mit Verlaub, kein Verlag sondern ein Mensch, also jemand anderer. Im konkreten Fall ein Präsidiumsmitglied der Atheistischen Religionsgesellschaft in Österreich (ARG).

Dementsprechend haben die Herausgeber dieser internationalen wissenschaftlichen Fachzeitschrift (“Journal of Law, Religion and State“), die bei der sorgfältig-strengen Auswahl ihrer wissenschaftlichen Artikel auf ein doppelblindes Peer-Review-Verfahren zurückgreift, in einer Fußnote * zum Artikel, der zunächst am 21. August 2020 als Open-Access-Artikel online erschienen und dann im Band 8, Heft 1, gedruckt worden ist (JLRS 8:1, 2020, 93-123), Folgendes geschrieben (diese Fußnote * kann z.B. in der anonymisierten RIS-Fassung des VGW-Erkenntnisses auf Seite 43 ganz unten gelesen werden):

“* Note from the Editors: The author of this article is an officer of the Atheist religious society in Austria (ARG) analyzed in this article and leads parts of its legal and public activities. Nevertheless, we concluded that the argument raises interesting questions for our readers and that the analysis offered has heuristic potential. Therefore, we decided to publish the article, taking into account that publication might serve the agenda of the ARG.”

Auf Deutsch: “Hinweis der Herausgeber: Der Autor dieses Artikels ist ein Funktionär der Atheistischen Religionsgesellschaft in Österreich (ARG), die in diesem Artikel analysiert wird, und leitet Teile ihrer rechtlichen und öffentlichen Aktivitäten. Dennoch kamen wir zu dem Schluss, dass das Argument interessante Fragen für unsere Leser aufwirft und dass die angebotene Analyse heuristisches Potenzial hat. Daher haben wir uns entschieden, den Artikel zu veröffentlichen, unter Berücksichtigung, dass die Veröffentlichung auch den Interessen der ARG dienen könnte.”

Dieser JLRS-Artikel ist der erste und einzige internationale wissenschaftliche Fachartikel zur ARG mit doppelblinder Peer-Begutachtung, der bisher in das Eintragungs- bzw. Rechtsmittelverfahren eingebracht worden ist.

Im VGW-Erkenntnis wird der JLRS-Artikel nur – wenn auch nicht zur Gänze – wortwörtlich wiedergegeben (z.B. in der 139-seitigen anonymisierten RIS-Fassung des VGW-Erkenntnisses auf den Seiten 43 bis 62). Der JLRS-Artikel wird im VGW-Erkenntnis über diese teilweise 1:1-Wiedergabe hinaus weder diskutiert noch sonst irgendwie inhaltlich aufgegriffen. Auch nicht in nur einem einzigen, einzelnen Punkt. Das ist seltsam. Denn wozu hat das Verwaltungsgericht Wien diesen JLRS-Artikel dann überhaupt in seinem Erkenntnis so umfangreich wiedergegeben, wenn es ihn inhaltlich völlig ignoriert?

Und das ist nur eine von mehreren Seltsamkeiten dieses VGW-Erkenntnisses vom 1. Juni 2022. Aktuell hat der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) über unsere außerordentliche Revision dazu, die wir am 28. April 2023 über die von uns dazu bevollmächtigte Rechtsanwaltskanzlei Mag. Georg Bürstmayr und Mag. Ralf Niederhammer (Rechtsanwälte in Kooperation) erhoben haben und zu der das Bundeskanzleramt/Kultusamt am 26. Jänner 2024 eine Revisionsbeantwortung erstattet hat, noch nicht abschließend entschieden. Wir bleiben dran!

Wilfried Apfalter ist Präsidiumsmitglied der Atheistischen Religionsgesellschaft in Österreich (ARG)


Über Wilfried Apfalter

Ich halte unsere Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich (ARG) für ein in mehrfacher Hinsicht sehr spannendes Projekt und bin fasziniert von dem, was alles möglich ist bzw. sein wird.

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