Es gibt Dinge, die vielleicht auf den ersten kurzen Blick widersprüchlich wirken und es dann aber bei genauerem Hinsehen gar nicht sind.
Als Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich (ARG) engagieren wir uns sowohl für und im interreligiösen Dialog als auch gegen religiöse Verfolgung. Mit voller Kraft und bereits einiger Erfahrung. Wir versuchen auch auf diesen beiden Wegen, die Welt etwas besser zu machen. So gut wir das jeweils können. Für beides – interreligiösen Dialog und Hilfe gegen religiöse Verfolgung – ist Selbstbewusstsein und Ernsthaftigkeit erforderlich. Unsere Art und Weise, damit umzugehen, wird offenbar auch von Anderen geschätzt.
Ich persönlich beispielsweise war diese Woche am Dienstag (28. März 2023) zum Interreligiösen Iftar (“Fastenbrechen”) der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) ins Palais Niederösterreich in Wien eingeladen und habe gerne daran teilgenommen, und am Donnerstag (30. März) war ich als Zeuge im Asylverfahren eines unserer Mitglieder zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in Wien geladen und habe vor Gericht für einen Atheisten ausgesagt. Beide Termine hatten inhaltlich mit Islam zu tun. In beiden Bereichen zeigt sich der große Wert der Religionsfreiheit, die für uns alle gilt, aber leider nicht in allen Ländern respektiert bzw. garantiert wird. Gerade interreligiöser Dialog kann tragfähige Beziehungen und Akzeptanz dafür schaffen, Andersdenkende nicht zu verfolgen.
In beiden Bereichen versuchen wir, unserer hohen Verantwortung als Atheistische Religionsgesellschaft gerecht zu werden: 1.) Unsere grundsätzliche interreligiöse Dialogbereitschaft wird zunehmend wertgeschätzt und auch zunehmend bekannter. 2.) Seit 2018 haben wir bereits 32 unserer Mitglieder erfolgreich dabei unterstützen können, dass sie behördlich oder gerichtlich als Atheist:innen wahrgenommen und ernstgenommen werden; und zwar rechtskräftig.
Wir wollen weltoffen, weitblickend und nachhaltig große Ziele erreichen (vgl. § 3 unserer Statuten). Vor diesem Hintergrund verwirklichen wir ganz konkret und gleichzeitig sowohl interreligiösen Dialog als Atheist:innen als auch Hilfe gegen religiöse Verfolgung von Atheist:innen. Eben beides, und so gut wir können. Beides kann uns in unserer Entwicklung als Atheistische Religionsgesellschaft weiterbringen.
Wilfried Apfalter ist Präsidiumsmitglied der Atheistischen Religionsgesellschaft in Österreich (ARG)
Was ist denn das Religiöse an der atheistischen Religionsgesellschaft?
“Religion ohne Gott” wäre Schaumschläegerei.
Dann bitte gleich “Ethik”.
Sehr geehrte Saskia!
Zum inhaltlich sehr interessanten Themenkomplex “Was ist denn das Religiöse an der atheistischen Religionsgesellschaft?” ist derzeit eine außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) anhängig. Ich bitte daher noch um ein wenig Geduld und bedanke mich gleichzeitig für das Interesse, das uns sehr freut! Nur eines vorweg: Die Einschätzung “‘Religion ohne Gott’ wäre Schaumschlägerei” teile ich nicht. Aber das ist angesichts unseres wirklich ernst gemeinten Eintragungsantrages vielleicht auch nicht verwunderlich …
Mit freundlichen Grüßen
Wilfried Apfalter
Das erwähnte Asylverfahren, in dem ich als Zeuge gerichtlich geladen war, ist übrigens sehr positiv für unser Mitglied ausgegangen: Das Gericht hat ihm als Rechtsmittelinstanz letztlich volles Asyl gegeben und festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes der Flüchtlingsstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention zukommt.
Atheist. Religions gem…. Ist da nicht ein Widerspruch?
Das hängt sehr von der Betrachtung ab.
Sofern man unter Religion etwas versteht, wo das Transzendente – das was über das “Diesseits” hinaus geht – eine Rolle spielt, und wo man das weltanschaulich und rituell in das Leben einbindet, ist eine atheistische Religionsgesellschaft durchaus denkbar. Zumindest wir können es denken.
Wir setzen uns mit Fragen der Sterblichkeit auseinander, und welche Konsequenzen sie für unser Leben zeitigt. Wir bemühen uns, lebensbegleitende und lebensbejahende Erzählungen dazu zu gestalten.
Was fehlt ihnen dabei, beziehungsweise, wo sehen Sie den Widerspruch?