Die Musikauswahl für mein Begräbnis


In den Tagen um den Monatswechsel von Oktober zu November dreht sich alles um den Tod und das Gedenken an die Verstorbenen. Auch wenn wir ihn gerne verdrängen, am Ende wird er uns allen nicht erspart bleiben. Daher lohnt es sich, diese Tage zu nutzen und sich ein wenig mit dem Tod auseinander zu setzen. Das muss nicht unbedingt frustrierend sein. Als kleine Anregung möchte ich heute mit euch teilen, welche Musikstücke ich zu meinem Begräbnis gerne gespielt haben möchte.

Ein Hinweis vorweg: Diese Musikauswahl habe ich mir in den letzten Monaten überlegt und ist zum Zeitpunkt der Veröffentlichung, dem 31. Oktober 2024 gültig. Ich schließe nicht aus, dass ich diese Musikauswahl ändern werde. Im Gegenteil, ich hoffe es sogar, dass ich sie noch öfters ändern werde. Ich hoffe doch sehr, dass bis zu meinem eigenen Begräbnis noch ein paar Jahrzehnte vergehen werden, genug Zeit, in der ich mich noch weiter entwickeln und auch meinen Musikgeschmack erweitern kann.

Einführung: “Dust in the Wind” von Kansas

Die Endlichkeit des Lebens ist das große Motto, um das es bei der Beerdigung geht. Unzählige Dichter haben versucht, die Endlichkeit in Worte zu fassen. Eine der schönsten poetischen Reflexionen zur Endlichkeit ist die Ballade “Dust in the Wind” der amerikaischen Rockband Kansas aus dem Jahr 1977.

Kansas – Dust in the Wind

Viel gibt es dazu nicht zu sagen, der Text spricht für sich. Dieses Lied ist eine würdige Eröffnung für die Trauerzeremonie, da sie der anwesenden Trauergemeinde die Endlichkeit mit all ihrer Tragik ins Bewusstsein ruft.

Wie soll meine Trauerzeremonie ablaufen? Um Ehrlich zu sein, ich weiß es noch nicht. Hier und heute geht es mir nur um die Musikauswahl. Was zwischen den Liedern passiert, dafür habe ich noch genug Zeit mir Gedanken zu machen. Ich glaube, ich beschränke meinen letzten Willen überhaupt auf die Musikauswahl beschränken und überlasse es meinen geliebten Hinterbliebenen, eine würdige Feier darum herum zu gestalten. Ein paar Wünsche habe ich natürlich, vor allem hätte ich diese Musik gerne live dargeboten von professionellen Musikerinnen und Musikern, nich nur aus der Konserve. Aber das wird natürlich auch ein Stück weit von Zeit, Geld und Verfügbarkeit abhängen, da möchte ich nicht zu viel festlegen. Bei der Musikauswahl selbst, vor allem bei der Reihenfolge, habe ich schon konkrete Vorstellungen.

Zwischenspiel: “Why Age?” von Epic Mountain

Ich bin ein Fan der Youtube-Kanals “Kurzgesagt”, der komplexe wissenschaftliche Zusammenhänge auf kurzweilige Art aufbereitet. Ein nicht unwesentlicher, aber oft übersehener Teil des Erfolgs dieser Videoreihe sind sicherlich die Soundtracks des Tonstudios “Epic Mountain”.

Als vor einigen Jahren das Video “Why Age?” veröffentlicht wurde, bei dem es um Wege geht, das Altern zu verlangsamen, war ich sofort vom Soundtrack dieses Videos angetan. Er ist ein wunderbar melancholisches Klavierstück, das so viele Menschen begeisterte, dass die Leute von Epic Mountain es schließlich als eigenes Video mit Klaviertutorial veröffentlichten:

Epic Mountain – Why Age?

Was macht dieses Stück so besonders, dass ich es gerne auf meiner Beerdigung gespielt haben möchte (und auch viele andere Leute, wie man in Kommentaren lesen kann)? Eigentlich entstand dieses Musikstück ja als Soundtracvk für ein Video, in dem es (überspitzt gesagt) darum geht, den Tod zu überwinden.

Aus meiner Sicht ist es die Dramaturgie dieses Musikstücks, die es so perfekt in den Kontext der Trauerfeier integrieren lässt. Das ganze Musikstück ist in einer Moll-Tonart verfasst und transportiert somit Gefühle der Melancholie und der Trauer. Gleichzeitig ist der Rhythmus lebhaft und abwechslungsreich, sodass die Traurigkeit nicht überhand nimmt, sondern immer eingebettet ist in einer feierlichen Grundstimmung. Am Ende kommt ein neuer Aspekt hinein, es kommt ein Zwischenspiel, in dem der Rhythmus in einen Dreivierteltakt wechselt. Man könnte dieses Zwischenspiel als eine Phase der Erinnerung an frühere Zeiten interpretieren. Kurz darauf wechselt die Musik zurück in den Viervierteltakt. Der Rhythmus wird langsamer, die Trauer kommt stärker zum vorschein. Und ausgerechntet der Schlussakkord, mit dem das Stück endet, ist der einzige Teil dieses Musikstücks, der in einer fröhlichen Dur-Tonart vorliegt. Dieser kurze Augenblick symbolisiert aus meiner Sicht Hoffnung. Diesen Aspekt möchte ich im nächsten Musikstück meiner Auswahl noch näher beschreiben.

Die Beerdigung: “Recuerdos de la Alhambra” von Francisco Tárrega

Nach der Trauerfeier in der Aufbahrungshalle treten meine sterblichen Überreste ihren letzten Weg an. Was ist das eigentlich, die sterblichen Überreste? Und wieso wird so viel Aufwand darum betrieben? Wenn man es genau nimmt, existiere ich als Mensch zu dem Zeitpunkt meiner Beerdigung nicht mehr. Das, was von mir noch da ist, ist mein toter Körper, der meinen Geist so lange getragen hat, bis er das nicht mehr konnte. Der Geist und die Seele sind verschwunden, der Körper blieb zurück. Was an diesem Körper bin noch ich? Ist das nicht einfach nur mehr organische Materie, die dem Kreislauf des Lebens zurückgeführt werden sollte? Grundsätzlich ja, aber es ist eben nicht irgendeine Materie. Es sind die letzten materiellen, greifbaren Reste von mir. Und die werden in dieser Zeremonie der Erde übergeben, um der Trauergemeinde die Möglichkeit zu geben, Abschied zu nehmen von jemandem, dem man zum Abschied nicht mehr die Hände reichen kann. Diese Verabschiedung scheint ein universelles menschliches Bedürfnis zu sein. Seit Jahrtausenden machen haben Menschen Rituale, um sich von den verstorbenen Mitmenschen zu verabschieden, in der Regel durch Beerdigung.

Der zweite Aspekt der Beerdigungszeremonie liegt in der Manifestation von nichtmateriellen Resten meiner Selbst. Damit meine ich die Erinnerungen an mich, die von jenen, die mich überleben werden, zumindest noch einige Jahre bis Jahrzehnte weiter getragen werden. Darum ist es mir auch so wichtig, meine Begräbniszeremonie zumindest musikalisch schon im Voraus zu planen. Diese Feier soll den Hinterbliebenen in Erinnerung bleiben.

Friedensforst in Velden am Wörthersee (Kärnten / Österreich)
Friedensforst in Velden am Wörthersee (Kärnten / Österreich)
Johann Jaritz, CC BY-SA 4.0

Noch ein Wort zu meinen eigenen sterblichen Überresten: Ich strebe eine möglichst unkomplizierte Rückkehr in den Kreislauf des Lebens an. Ich möchte es dabei auch meiner Nachwelt nicht unnötig kompliziert machen. Ein Ganzkörpersarg aus robustem Holz, der vielleicht in einigen Jahrzehnten oder Jahrhunderten aufwändig exhumiert werden muss, wäre da zu kompliziert. Ich präferiere eine Einäscherung und danach eine Baumbestattung in einem Bestattungswald. Solche alternativen Formen von Friedhöfen gibt es immer Öfter, auch in Österreich (Mein Kollege Nikolaus Bösch-Weiss hat dazu schon vor einiger Zeit in unserem Podcast die Idee eines “Lebenswaldes” präsentiert). Bei der Baumbestattung kommt die Asche in eine biologisch abbaubare Urne, welche in der Nähe eines Baumes begraben wird. Sie wird mit der Zeit dem Baum Nahrung geben. Der Baum und eine Gedenktafel werden ein bescheidener, aber hoffentlich dennoch würdiger Ort des Gedenkens sein für meine Liebsten, die mich überleben werden.

Nun aber zurück zur Musik. Wenn meine Urne der Erde übergeben wird, dann soll dieses Lied erklingen:

Francisco Tárrega – Recuerdos de la Alhambra, gespielt von Isabel Martínez

Zu diesem Musikstück habe ich einen persönlichen Bezug. Ich versuchte es zu spielen, als ich noch Gítarrenunterricht nahm. Bei diesem Stück stieß ich an meine Grenzen, ich scheiterte an der Tremolo-Technik, dem schnellen Spielen der Melodie mit Zeige-, Mittel- und Ringfinger, um einen durchgehenden Klang zu erzeugen. Ein Fernziel in meinem Leben ist, dass ich es noch einmal mit diesem Stück versuche. Selbst wenn ich es nicht schaffen werde, auf meinem letzten Weg soll mich dieses Musikstück begleiten.

“Recuerdos de la Alhambra” beginnt mit einem melancholischen Teil in einer Moll-Tonart, der die Gemeinde in ihrer Trauer abholt und dieser Stimmung ihren nötigen Raum gibt. Nach einer einmaligen Wiederholung kommt der zweite Teil, der in Dur geschrieben ist. Er transportiert ein Gefühl der Hoffnung. Ich glaube, das ist wichtig, gerade für uns Atheistinnen und Atheisten. Wenn uns schon unser Glaube im Angesicht des Todes keine Hoffnung geben kann, dann darf sie uns wenigstens die Musik nahe bringen. Auch dieser zweite Teil wird einmal wiederholt.

Was nach dieser wiederholung passiert ist ein spannendes Detail: In den meisten Versionen dieses Liedes kommt danach der dritte Schlussteil. In der Version im oberen Video hingegen spielt Isabel Martinez ein “Da Capo al Fine”. Das heißt, sie spielt das Lied noch einmal von Anfang an, einmal den ersten Teil, einmal den zweiten Teil, danach den Schlussteil. Somit fällt die Musik nach einem erhebenden Gefühl der Hoffnung noch einmal in die Trauer zurück. Genau so wünsche ich mir, dass “Recuerdos de la Alhambra” bei meiner Beerdigung gespielt wird. Zugegeben, dieser Wechsel zurück zu Moll kann ein Gefühlschaos verursachen. Ich sage dazu nur: Ja, genau das ist der Plan. Ich weiß nicht ob Francisco Tárrega das so in seiner Komposition vorsah, aber es passt einfach perfekt, vor allem für ein Begräbnis.

Der Leichenschmaus: “Eine gute Nachricht” von Danger Dan

Nach der Trauerzeremonie und der Beerdigung beginnt in meinen Augen der wichtigste Teil der ganzen Zeremonie: Der sogenannte Leichenschmaus, das informelle und gesellige Beisammensein der Trauergemeinde. Hier kommen Menschen zusammen, die sich vielleicht schon Jahre, vielleicht sogar noch nie gesehen haben. Niko hat in unserer gestrigen Podcast-Episode (nachzuhören hier) darauf aufmerksam gemacht, dass sich in dieser Zusammenkunft Menschen treffen können, die den Verstorbenen in unterschiedlichen Aspekten gekannt haben und somit die Chance haben, noch einmal ganz neue Seiten des Verstorbenen kennen zu lernen. Ein sehr schöner und tröstlicher Gedanke.

Darüber hinaus finde aber, dass es beim Leichenschmaus nicht nur um mich gehen sollte. Im Gegenteil, es sollte um die Anwesenden gehen, um die Gemeinschaft und das gemeinsame Feiern. Hier habe ich eine Botschaft an meine Hinterbliebenen: Mein Lebensweg ging heute endgültig zu Ende, aber ihr habt noch so viel Zeit! Lebt euer Leben und freut euch, dass ihr es habt! Wie könnte man diese Botschaft besser überbringen als mit dem Lied “Eine gute Nachricht” von Danger Dan?

Dieses Lied soll den Leichenschmauß und das gesellige Beisammensein einläuten. Und danach, meine Lieben, genießt diese besondere Zeit zusammen, feiert gemeinsam, und wenn ihr wollt, verbringt auch die Nacht miteinander!


Über Martin Marot-Perz

Als Techniker vom Studium und Beruf her kümmert sich Martin Perz um den Online-Auftritt der Atheistischen Religionsgesellschaft. Als Webmaster ist er gewissermaßen der Hüter der (digitalen) Schlüssel dieser (virtuellen) Hallen hier. Gerne schreibt er aber auch als unabhängiger Denker zu weltanschaulichen Themen, Religion und Philosophie.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert