Dialog. Das bedeutet, miteinander ins Gespräch zu kommen und etwas miteinander „(durch-) besprechen“ zu können. Die Themen eines (inter-/religiösen) Dialoges können vielfältig sein. Vielleicht kann es auf uns selbst und auf mögliche Dialogpartnerinnen und Dialogpartner motivierend wirken, wenn wir uns einmal etwas ausführlicher überlegen, was wir uns im Hinblick auf (inter-/religiösen) Dialog vorstellen können und wünschen würden.
Auf den ersten Blick mag die Frage, was ein Dialog „ist“ und was einen Dialog ausmacht, vielleicht eher schlicht und einfach wirken. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich allerdings sehr leicht, dass diese Frage im Grunde genommen gar nicht so einfach ist. Wenn ich hier von „Dialog“ rede, dann habe ich durchaus mehr als nur ein einzelnes Gespräch (das mit „Dialog“ ja ebenfalls gemeint sein könnte) vor Augen.
Zum Dialog-Begriff
An dieser Stelle ist es vermutlich gut, wenn wir ein paar Begriffe kurz skizzieren und unterscheiden. Ein gelingendes Gespräch kann kurz oder lang sein bzw. werden. Es zeichnet sich besonders dadurch aus, dass die Beteiligten auch wirklich aufeinander eingehen, und nimmt daher im Grunde genommen einen offenen Verlauf. In einer Diskussion wird etwas (eventuell Unklares oder Kontroverses) konzentriert und hoffentlich auch kritisch untersucht und erörtert. Aus einer Diskussion kann ein Gespräch entstehen (und umgekehrt). Eine Debatte ist ein „Streitgespräch“, in dessen Zentrum Argumente stehen oder zumindest stehen sollten. So gesehen ist Dialog eine offene Reihe von direkten Begegnungen und Gesprächen und vielleicht auch Diskussionen und Debatten, die genügend Raum geben, um etwas „(durch-) besprechen“ zu können. Mit anderen Worten: Dialog ist mehr als nur ein einzelnes Gespräch bzw. eine einzelne Diskussion oder Debatte. Diskussionen, Debatten und Dialoge sind, so können wir auch sagen, ohne Diskurs grundsätzlich nicht möglich; in ihm werden Wissen und kulturelle Wirklichkeit erzeugt/produziert. Auch Diskurs ist mehr als nur ein Gespräch. Diskurs kann Gespräche, Diskussionen, Debatten und Dialoge umfassen, aber auch z.B. andere „Ensembles von (‚diskursiven’) Praktiken“ [1] und deren Mechanismen und Effekte (z.B. grundlegende Vorstellungen darüber, was „möglich“ und was „unmöglich“ sei, was zu einem Thema dazugehöre und was nicht und wer dabei mitreden könne und wer nicht; ebenso z.B. symbolische Ordnungen und ihre Verkörperungen etwa in Form von Architektur oder konkreten räumlichen Arrangements bei Begegnungen und Gesprächen).
(Inter-/Religiöser) Dialog als religiöse Praxis
(Inter-/Religiöser) Dialog kann durchaus auch als religiöse Praxis verwirklicht und verstanden werden. Für uns Mitglieder der „Atheistischen Religionsgesellschaft in Österreich“ (ARG) beispielsweise – und wohl nicht nur für uns – ist er das auch. [2] Das kann grundsätzlich einen Dialog nach innen und nach außen bedeuten. Im Falle der ARG also einen Dialog untereinander innerhalb der ARG, aber auch einen Dialog mit vielen anderen und andersdenkenden Menschen außerhalb der ARG. Wir alle könnten versuchen, gemeinsam neue (bzw. unsere) Antworten auf alte Fragen zu finden und neue Fragen zu stellen.
Dialog weckt verständlicherweise auch Emotionen. Sowohl bei seinen Befürworterinnen und Befürwortern, die ihn vielleicht als einen Weg zur Verbesserung stärken wollen, als auch bei seinen Gegnerinnen und Gegnern, die in ihm vielleicht eine Bedrohung des eigenen Selbstverständnisses sehen. Vor diesem Hintergrund kann es unter Umständen einen gewissen Mut erfordern, ein konkretes Dialogangebot zu machen oder anzunehmen. Wenn wir einen Dialog anbieten, dann wäre es vorteilhaft, wenn die Anderen, denen wir diesen Dialog anbieten, keine abwehrenden Befürchtungen über unser zukünftiges Verhalten in diesem Dialog entwickeln und sich stattdessen zumindest insgeheim freuen, dass wir ihnen einen Dialog anbieten. Zu diesen anderen und andersdenkenden Menschen zählen sicherlich auch diejenigen Atheistinnen und Atheisten, die der ARG noch eher reserviert oder sogar noch völlig ablehnend gegenüberstehen. Es sollten sich freilich nicht nur atheistische Nichtmitglieder sowie Kritikerinnen und Kritiker der ARG eingeladen fühlen, „ein Stück des Weges“ mit uns gemeinsam zu gehen, sondern auch Angehörige anderer Religionsgemeinschaften und überhaupt „alle Menschen guten Willens“. Dialog ist eines der wertvollsten Angebote, die wir als ARG machen können.
In einem zweiten Teil, der in Kürze erscheinen wird, werde ich diese Überlegungen ein wenig weiterführen.
Anmerkungen
[1] Ernst Müller & Falko Schmieder (2016), Begriffsgeschichte und historische Semantik. Ein kritisches Kompendium (STW; 2117), Berlin: Suhrkamp, 2016, Seite 712.
[2] Siehe z.B. § 2 Absatz 7 der Statuten der Atheistischen Religionsgesellschaft in Österreich in der Fassung vom 15. März 2016: „Dialog mit anderen und andersdenkenden Menschen hilft uns, unser eigenes Leben in einem breiteren Zusammenhang zu sehen und zu verstehen. Indem wir uns auf die Welten anderer Menschen einlassen, transzendieren wir unseren eigenen Erfahrungshorizont.“
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