Ein Nachruf von Karl Wergler*
Heute vor 20 Jahren starb Carl Sagan, Begründer der Populärwissenschaft, wie wir sie heute kennen, im Alter von 62 Jahren. Doch solch ein Satz tut jemandem wie ihm kaum Ehre. Carl Sagan war zeitgleich ein begnadeter Wissenschaftler, Autor, TV-Persönlichkeit, Freidenker, Skeptiker und Visionär. Er stand, wenn man so will, für eine neue Art des Denkens. Kaum jemand hat die Menschheit so eindrucksvoll Ehrfurcht und Bescheidenheit vor der Immensität des Universums gelehrt.
„Der Kosmos. Der Kosmos umschließt alles was es gibt, je gab und je geben wird.
[…]
Wir erkennen, dass wir uns dem größten aller Geheimnisse nähern. Größe und Alter des Kosmos blieben lange außerhalb unseres Vorstellungsvermögens.
Verloren irgendwo zwischen Unermesslichkeit und Ewigkeit liegt unser kleines planetarisches Heim, die Erde. Heutzutage haben wir zum ersten Mal die Möglichkeit zu Entscheiden wie die Zukunft unseres Planeten nun aussehen soll.
Dieser Augenblick birgt große Gefahren.[…]“
Wenn man Dr. Sagan zuhörte, so wollte man glauben es handelte sich bei ihm um einen tiefst gläubigen Menschen, doch in seinen Predigten, wenn man sie so nennen will, ging es nicht um eine theistische oder pseudoesotherische Verbundenheit mit übernatürlichen Wesen, sondern um die Einheit aller Dinge mit dem Kosmos.
„Wir sind nämlich auch Teil des Kosmos. Wir sind aus dem Stoff der Sterne. Wir sind eine Möglichkeit für den Kosmos sich selbst zu entdecken.“
Er war maßbeglich daran beteiligt, dass wir als Menschheit nicht nur über die Grenzen unseres Planeten und Sonnensystems hinwegschauen, sondern auch unseren intellektuellen Horizont erweitern und über die Grenzen unserer Spezies hinausdenken. Wenige konnten so wortgewandt aufzeigen, dass die Idee einer privilegierten Position der menschlichen Spezies im Universum nichts mehr als ein Märchen ist.
Seine Botschaft weckte in Hunderttausenden, wenn nicht in Millionen von Menschen das Interesse für die Wissenschaften. Von weltbekannten Wissenschaftlern wie Neil de Grasse Tyson bis zu den führenden Vertretern des Neuen Atheismus zitieren ihn als eine Inspiration für ihre Arbeit und ihr wissenschaftliches und intellektuelles Schaffen.
„Die Oberfläche unserer Erde ist die Küste des kosmischen Ozeans, an dieser Küste haben wir alles gelernt, was wir wissen. Unlängst sind wir ein bisschen in diesen Ozean hineingewatet, ich würde meinen nur bis zu den Knöcheln. Aber das Wasser wirkt einladend. Etwas tief in unserem innerem sagt uns: Von hier sind wir gekommen. Wir sehnen uns danach zurückzukehren.“
Er war Wegbereiter für zahllose kommende Vertreter der Wissenschaft, Freidenkertums, Skeptikerbewegung und, auch wenn er selber sich als Agnostiker bezeichnete, des Atheismus.
In einem Land, in dem heute noch bis zu 40% der Bewohner daran glauben, dass der Messias Jesus Christus bis zum Jahr 2050 auf die Erde zurückkehren wird , stand Carl Sagan in starkem Kontrast zum christlich-dogmatischem Fabulieren über die angebliche Makellosigkeit Gottes oder die Anmut des Lebens nach dem Tode im Himmel. Er schaffte es durch seine Bücher, seine Fernsehauftritte und seine Fernsehserie Cosmos seine Leser, Zuschauer und Zuhörer über die Schönheit und Erhabenheit des Kosmos´ andächtig staunen zu lassen.
„Ich finde es emporhebend und anregend, dass unser Universum die Entwicklung von molekularen Maschinen erlaubt, die so komplex und raffiniert sind wie wir [Menschen].“
Sein Buch Cosmos (zu dt. Unser Kosmos) war das meistverkaufte wissenschaftliche Buch in der englischen Sprache und war das erste seiner Art, dass sich mehr als fünfhunderttausendmal verkauft hat. In dieser Hinsicht wurde es nur von Stephen Hawkings Buch A Brief History of Time (zu dt. Eine kurze Geschichte der Zeit) übertroffen. Die gleichnamige Serie Cosmos (zu dt. ebenfalls Unser Kosmos) waren ausschlaggebend dafür, dass die Wissenschaften von den Universitätslehrsälen und -laboren in das Wahrnehmungsfeld des öffentlichen Bewusstseins gebracht wurden.
Ich möchte mit diesem Text weniger eine Zusammenfassung von Carl Sagans Biografie verfassen als eher daran erinnern, dass uns vor 20 Jahren leider viel zu früh ein großartiger Denker und Redner verlassen hat. Heuer wäre Carl Sagan 82 Jahre alt geworden, wäre er nicht im Alter von 60 Jahren an Myelodysplasie erkrankt.
Hiermit möchte ich noch einmal das virtuelle Feld den inspirierenden Worten des Meisters höchstpersönlich überlassen:
„Wenn sie vor zwei oder drei Jahrtausenden lebten, war es keine Schande zu glauben, dass das Universum für uns gemacht sei. Es war eine einleuchtende These in Einklang mit allem, was wir wussten, es war das, was die am besten gebildeten unter uns ohne Vorbehalt lehrten. Aber seit damals haben wir viel herausgefunden.
Diese Position heute zu vertreten, grenzt an absichtliche Missachtung der Beweise, und einer Flucht vor Selbsterkenntnis. Wir sehnen uns danach aus einem Grund hier zu sein, obwohl, trotz viel Selbsttäuschung, keiner ersichtlich ist.Unsere Zeit ist belastet unter dem anwachsenden Gewicht der erfolgreichen Aufklärung unserer Eitelkeiten: Wir sind Neuankömmlinge [auf diesem Planeten]. Wir leben im kosmischen Hinterland. Wir entstanden aus Mikroben und [sogenanntem] Dreck. Affen sind unsere Cousins. Unsere Gedanken und Gefühle sind nicht komplett unter unserer Kontrolle. Es könnte sehr viel klügere und andere Lebewesen anderswo geben. Und obendrein treiben wir Unfug mit unserem Heimatplaneten und stellen eine Gefahr für uns selber dar.
Die Falltür unter unseren Füßen schwingt auf. Wir befinden uns in einem bodenlosen freien Fall.
Wir sind in einer großen Finsternis verloren und es gibt niemanden da draußen, der einen Suchtrupp aussenden würde. Angesichts einer so harten Realität, versuchen wir natürlich unsere Augen zu verschließen und so zu tun als wären wir sicher und geborgen zuhause, als wäre der freie Fall nur ein schlechter Traum.
Wenn wir unsere Angst davor klein zu sein überwunden haben, finden wir uns an der Schwelle zu einem kolossalen und ehrfurchterregendem Universum, das die geordneten menschenzentrierten Vorstellungen unserer Vorfahren komplett in den Schatten stellt bezüglich Zeit, Raum und Potential.[…]
Wir blicken über Milliarden von Lichtjahren von Raum um das Universum kurz nach dem Urknall zu sehen, und erkennen die Feinstruktur der Materie. Wir blicken hinunter in den Kern unseres Planeten, und in das lodernde Innere unseres Sterns. Wir lesen die genetische Sprache, in der sich die unterschiedlichen Fähigkeiten und Neigungen jedes Wesens auf der Erde wiederfinden. Wir decken versteckte Kapitel in der Aufzeichnung der eigenen Herkunft auf.
[…]
Wir erfinden Medikamente und Impfstoffe, die das Leben von Milliarden [von Menschen] retten und erhalten. Wir kommunizieren mit Lichtgeschwindigkeit, und rasen um die Erde in eineinhalb Stunden. Wir haben Dutzende von Raumschiffen zu mehr als siebzig Welten geschickt und vier Satelliten zu den Sternen hinausentsendet.
[…]
Es gibt vieles in diesem Universum was als erschaffen erscheint. Doch stattdessen haben wir immer wieder festgestellt, dass natürliche Prozesse – Auswahl durch Kollision von Welten, um ein Beispiel zu nennen, die natürliche Selektion von Gen-Pools oder sogar das Strömungsmuster in einem Topf mit kochendem Wasser – Ordnung aus Chaos extrahieren können, und uns damit täuschen, Absicht zu entdecken, wo es keine gibt.
Der Sinn unserer Leben und unseres fragilen Planeten wird dann nur durch unsere eigene Weisheit und Mut bestimmt. Wir sind die Hüter der Bedeutung und des Sinns des Lebens.
Wir sehnen uns nach etwas Übergeordnetem, das sich um uns kümmert, dass uns unsere Fehler vergibt, um uns vor unseren kindlichen Fehlern zu schützen. Aber Wissen ist besser als Unwissenheit.
Weitaus besser ist es die harte Wahrheit anzuerkennen als mit einem beruhigendem Märchen zu leben.
Wenn wir uns nach einem kosmischen Zweck sehnen, dann lasst uns ein lohnendes Ziel finden.“
Anmerkung
Die Zitate wurden entweder von mir selbst übersetzt oder (leicht abgeändert) transkribiert von:
- https://www.youtube.com/watch?v=6LbFGMeX8VE (ZDF-“Unser Kosmos”)
- https://www.youtube.com/watch?v=tpkbv-tSlb0 (Confuzionus Gedankenfeuerwerk)
Karl Wergler* ist ein angehender Student und lebt derzeit in St. Pölten. Seine Hobbyfachgebiete beinhalten Geschichte, Politik, Ideologie und Ökologie.
*Name von der Redaktion geändert