Atheismus happens – bei Kaffee und Kuchen


Personae

Der Fotograf
Der junge Vater
Der Sprecher
2 Kellnerinnen
Einige Weitere

Situation

Atheistentreffen in einer Café-Konditorei

Prolog

Der Sprecher, ich, erschien kurz vor dem abgemachten Zeitpunkt und fragte nach dem Tisch. Die Auskunft gebende Person an der Kuchentheke verwies an die Kellnerinnen. Das Lokal war besetzt, bis auf den letzten Platz. Die Kellnerin 1 entschuldigte sich dafür, verwies auf diesen reservierten, letzten Platz – oder Tisch – in einer kleinen, aber feinen Nische. Ich erklärte ihr, dass man bei Fragen nach dem Treffen der Atheistischen Religionsgesellschaft bitte Fragende zu mir schicken solle. Kellnerin 1 wusste nun Bescheid, aber ich sollte es Kellnerin 2 und anderen ebenso sagen. Also sagte ich es Kellnerin 2, diese schien die lokale Lokalhälfte zu bedienen und ich suchte den Tisch auf. Nach dem Aufstellen der Tischkarte dachte ich mir: “Das könnte knapp werden, sollten mehr als zwei Personen auftauchen… Neben der Tischkarte haben ja kaum noch zwei Tassen Platz.”

In den nächsten zehn Minuten tauchten zwei Personen auf: der junge Vater und der Fotograf. Schon im Gespräch vertieft (und aufgrund des Platzmangels mit einer “verbannten” Tischkarte auf dem Beistelltischchen unter der Garderobe neben mir), bemerkten wir nicht, dass wir anscheinend gesucht wurden. Eine nochmalige Entschuldigung an dieser Stelle.

Das Gespräch

Es begann ganz klassisch mit der Frage nach dem “Wer?” und “Was?”. Der Fotograf entschuldigte sich, er sei nicht angemeldet. Ich freute mich eher. Der junge Vater fing mit zwei Fragen zur ARG an.

Die Gespräche waren weitläufig, intensiv, ehrlich und interessant. Und ich bemerkte irgendwann, dass ich mitschreiben sollte. Zum Beispiel stellte ich klar, dass wir uns nicht als Spassreligion verstehen, wir vertieften uns bezüglich der Widersprüche – bzw. besser gesagt der Vorwürfe diesbezüglich – einer atheistischen Religionsgesellschaft.

Wir kamen näher ans Thema neue Atheisten, Religionskritik, die Haltung der ARG zum Themenkomplex Religionen, Kirchen, kritisch sein und selbst sowas aufbauen zu wollen (weil es eben – auch aus anderen Blickwinkeln – Sinnhaftes zu geben scheint?). Widersprüche gibt es vielleicht je nach Sichtweise, aber wir kritisieren eher den Umgang mit Atheisten, als Religionen an sich – sagte ich. Alleine dieser Satz von mir könnte durchaus interessante Diskussionen im Forum auslösen, aber samt unseren Statuten[1], in denen wir etwas eigenes auch aufbauen möchten als Alternative, als Angebot … ist das halt die Sichtweise, der ich zustimme. Der Brief an den Papst[2], die Antwort des vatikanischen Staatsekretariats, die Erwähnungen auf religion.orf.at und katholisch.de mitsamt den bemerkenswerten Änderungen im Wortlaut[3] wären ein Hinweis dafür, denke ich mir – und sind aber auch ein Hinweis darauf, wie man als ARG auch Aufmerksamkeit erregen konnte.

Nach kurzer Erwähnung von Aschera, dem gemeinsamen Rätseln über die Gründe der Erfolgsgeschichte des Christentums und der zuvor verbreiteten (polytheistischen und/oder Natur)Religionen (soziales Aufbegehren? Höherstellung prekär Lebender? Rollen und Rechte der Frauen? Angst als Mittel zum Machtgewinn und -erhalt? Rechtfertigung von Machtpositionen bis hin zu den Habsburgern) kam die Schlussfolgerung, dass wir als moderne Menschen einerseits nun Wissen erlangen können – statt zum Beispiel Angst vor der Natur haben zu müssen – und andererseits dadurch aber auch das Staunen etwas verlernt haben. Der Fotograf erzählte von einem Regenbogen, der sich über die ganze Stadt spann, wie wunderbar so etwas wirkt und aussieht, wie rätselhaft die Gründe dafür früher gewesen sein müssen, usw.

Ich glaube, hier ungefähr kamen wir auf sehr interessante, aber auch sehr persönliche Erzählungen, warum wir jeweils ausgetreten sind, wie lange das gebraucht hat und welche Gründe, Überlegungen usw. wir dabei hatten. Während ich selbst erste ernsthafte Zweifel bekam anlässlich der Schulungen für die Erstkommunion, die Firmung nicht mehr machen wollte, mit 18? die erste Kirchenbeitragsvorschreibung erhielt, die Groer-Skandale danach oder zuvor (oder waren es Sager von Krenn?) und es für mich eine doch eher kurz entschlossene, auf fester Überzeugung basierende Entscheidung war, kämpfen andere mit jahrelangen Zweifeln, mit Gläubigen in der Familie, die man nicht enttäuschen möchte, mit Zweifeln bezüglich der Folgen eines Austritts, usw. (Wir werden da als ARG bald einhaken, zumindest wünsche ich mir das.)

Der nächste große Themenkomplex war Angst vor dem Tod und Bestattungen. (Wir, die ARG, arbeiten durchaus an Angeboten diesbezüglich – mehr darüber im Forum für Mitglieder.)

Bemerkenswert fand ich, dass hier auch unsere Sprache erwähnt wurde und unsere Sozialisation samt folgenden Notwendigkeiten, über die man als Atheist früher oder später oder immer wieder mal nachdenkt. Wie Eosphoros es so schön in seiner Homepagesignatur[4] (Anmerkung: falsch in Erinnerung gehabt und trotzdem gut) hinterfragt: Wie kann man Atheismus lebbar machen? Es fehlen teils, oder sind nur mit Bemühen umstellbar:
–> Sprache (“Grüß Gott!”, “Gottseidank!”, aber auch “heilige Verpflichtung” – mir war es zum Beispiel eine Freude und heilige Verpflichtung, diesen Stammtisch organisieren und erleben zu dürfen :-) – diese Alternativen kann man zwar nachsurfen im Internet, aber es braucht auch Bemühen, im Alltag und während des Sprechens, bis man eine persönlich sympathische Alternative auch wirklich anwendet. Und als Deutschsprachige muss man dann noch teils auf “alltägliche” Weisheiten, Sinnsprüche und Floskeln acht geben, wie zB beim Hintergrund von “Jedem das Seine”. Als “suum cuique” altbekannt, wurde dieser Spruch in Buchenwald über dem KZ-Tor montiert, so dass man ihn von innen! lesen konnte.[5])
–> Symbole (ganz klar: das Kreuz stand im Vordergrund, aber wir besprechen im Mitgliederforum auch, welche atheistischen Symbole es gibt und welche wir verwenden können/wollen?)
–> Rituale (nachdem ich ganz besonders interessiert an diesem Thema bin, auch hier ein Verweis auf das Mitgliederforum und ein ausdrückliches “Dankeschön!” für diese Aufzählung Herr Fotograf!)

Als großer Themenkomplex, ich glaube bei meinem schon zweiten Kaffee, kamen wir zum Thema Kinder und Glaube. Niko gab als Atheist bezüglich Weihnachten mit Kindern bereits ein Interview[6], ich erinnere mich noch, dass die Erstkommunion mir vor allem meine Positionen bewusst machten – und wie schaut das nun zum Beispiel mit den Kindern des jungen Vaters aus? Und es folgten Überlegungen, wieso man sein Kind nicht isolieren und im Religionsunterricht untätig in der Ecke sitzen lassen will, weil es keinen Ersatzunterricht gibt und die Aufsichtspflicht keine andere Möglichkeit zulässt. Außerdem erzählte der junge Vater die Geschichte der heiligen Barbara, die geköpft wurde – genauer gesagt, dass das eine Geschichte war, die bei den Kindern tiefen Eindruck hinterlassen hat und zu einer Intervention bei der Lehrerin führte. Dem Hinweis auf den Lehrplan zufolge ist es nunmal, schon zum zweiten mal meine Schlussfolgerung, gar nicht einfach, atheistisch zu leben. Die Lehrerin versprach, in Zukunft vor solchen “Horrorstories” vorzuwarnen – nur bekam die Tochter nicht jede Warnung mit.. Dankseidank (es fehlen die Worte …) scheint sowas dann doch eher individuell zu sein, oder der Lehrplan mit Schilderungen von Hinrichtungen ist für grössere Kinder dann nicht mehr so brutal …

Der nächste Themenwechsel fand, ebenso wie bisher, schleichend statt und wir kamen über (allgegenwärtige) Prägungen im Kindesalter, die Beichte und den Sündenerlass zur gewaltfreien Kommunikation. Ein Thema, das uns vom Fotograf wärmstens empfohlen wurde zur persönlichen Bereicherung und Erleichterung im Umgang mit anderen. Das Prinzip vorweggenommen: Wenn man das Bedürfnis hinter einer Aussage oder Tätigkeit sieht, wird der Weg oft unwichtiger bzw anders bewertbar. Ich werde im Forum für Mitglieder nach Recherchen diesbezüglich einen Thread beginnen – auch hier ein “Dankeschön!” an den interessierten (aber derzeit nicht an einer Mitgliedschaft) Fotografen!

Der Aufbruch

Beim Abgang sprach ich noch den Newsletter[7] und die Mitgliedschaft[8] an.

Bezüglich Mitgliedschaft ist letztendlich klar: Wir brauchen noch Mitglieder mit Unterschrift, digital/beglaubigt oder mit Ausweiskopie zur Ermöglichung der Überprüfung der Identität durch das Kultusamt.

Aber auch bezüglich Forenaktivitäten gibt es einiges zu sagen: Gedacht als Kommunikationsplattform für unsere Mitglieder, zum Präsidium, auch durchaus nach außen bzw von außerhalb, ist die Teilnahme im Mitglieder-Forum schwankend und im öffentlich zugänglichen Teil eher kaum vorhanden.

Und ein besonderes Anliegen von mir, seit ich davon erfahren habe: Der Newsletter kann wahlweise für mehrere Bundesländer oder auch für nur ein einzelnes Bundesland abonniert werden und das Abonnement kann jederzeit geändert werden. Zum Beispiel haben sich in Tirol erst fünf Personen für den Newsletter angemeldet – und erfahren somit von neuen Homepage-Beiträgen und Stammtischen… Vielleicht ändert sich das nun durch den Stammtisch, zumindest ein bisserl … ;-)

Epilog

Ich hörte vor kurzem eine Art kleine Weisheit, der Anlass ist irrelevant: “Was werden sie schon machen? Sich gegenseitig auf die Schulter klopfen, gegenseitig sagen, wie toll sie doch sind.” Ich erwartete mir von diesem Treffen nicht viel, zweifelte ob überhaupt jemand kommen wird, fragte mich: “Was mach ich da eigentlich? Eine atheistische Messe wirds kaum werden und sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen empfinde ich nicht wirklich als großartig und zielführend.”

Und es wurden interessante Gespräche, Informationen wurden gesammelt, die Kommunikation innerhalb und außerhalb der ARG fand erfolgreich statt – und es waren wirklich nette Teilnehmer.

–> Atheismus happens.

 

[1] Link zu den Statuten: https://atheistisch.at/organisation/statuten/ – ich ergänze hier auch einen Link zum Konzept, da es zum Themenbereich passt: https://atheistisch.at/konzept/
[2] Link zum Brief: https://atheistisch.at/wp-content/uploads/2017/10/Der-Weltkatechismus-%C3%BCber-Atheismus.pdf
[3] Link zum Homepagebeitrag bezüglich Reaktionen: https://atheistisch.at/2017/10/16/der-weltkatechismus-ueber-atheismus/
[4] Link zum Autor Eosphoros (falsch in Erinnerung gehabt, aber gut gefunden): https://atheistisch.at/author/eosphoros/
[5] Link zum entsprechenden Absatz auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Jedem_das_Seine#Zeit_des_Nationalsozialismus
[6] Link zum Homepagebeitrag, dort der Link zum Interview und anderen Beiträgen: https://atheistisch.at/2016/12/22/artikel-auf-vice-alps-oesterreichische-atheisten-wollen-eine-religionsgemeinschaft-gruenden/
[7] Newsletter können zum Beispiel per E-Mail oder über die Homepage (linke Seite, unter der Suche) abonniert werden: https://atheistisch.at/
[8] Bezüglich grundlegender Infos zur Mitgliedschaft: https://atheistisch.at/mitgliedschaft/ – zum online ausfüllbaren (und daraufhin ausdruckbaren) Beitrittsformular: https://atheistisch.at/mitgliedschaft/beitrittsformular/

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