Transzendenz (Teil 2/4)


Dieser Beitrag ist der zweite Teil einer vierteiligen Serie zu Transzendenzbezügen der Atheistischen Religionsgesellschaft (1,2,3,4).

Die Religionslehre der Atheistischen Religionsgesellschaft bezieht sich unter anderem auch auf die Gottheiten der bereits vom Kultusamt als Religionen akzeptierten Religionen. Diese Gottheiten werden von der Lehre der Atheistischen Religionsgesellschaft in den Rahmen der Kulturgeschichte eingebettet und ganz grundlegend in der Kultur verortet. Dadurch bleiben sie freilich immer noch im Bereich der kulturell konstruierten Transzendenz. Die gesamte Kulturgeschichte der Menschheit geht ja weit über die Grenze dessen hinaus, was ein einzelner Mensch erfassen kann. Auf Gottheiten nehmen wir auch Bezug, wenn wir darlegen, dass wir nicht an ihre von Menschen/Lebewesen unabhängige Existenz als eigenständige Akteure glauben. Stimmt es, dass bisher noch für keine einzige Gottheit – egal welcher Religion – eine von Menschen/Lebewesen unabhängige Existenz als eigenständige Akteurin dem Kultusamt gegenüber nachgewiesen worden ist?

Quellen unseres Ethos

Die (Religions-) Lehre der Atheistischen Religionsgesellschaft wird im § 2 der Statuten der Atheistischen Religionsgesellschaft dargelegt. Aus der Perspektive des Absatz 2 der Lehre der Atheistischen Religionsgesellschaft ist das eigene ethische Überlegen von uns Menschen eine wichtige Quelle unseres jeweiligen Ethos. Damit wird nicht behauptet, dass wir Menschen uns die ethischen Grundlagen selbst geben. Das wäre ja genau genommen viel zu verkürzt, denn zumindest alle im Verlauf der natürlichen Evolution entstandenen Grundlagen für ein Ethos – z. B. so etwas wie ein Gespür für Fairness, die Fähigkeit zur Empathie, usw. – können wir Menschen uns ganz grundsätzlich nicht selbst gegeben haben. Im Absatz 2 wird vielmehr zum Ausdruck gebracht, „dass nicht Gottheiten uns Menschen unser Ethos gegeben haben, sondern dass unser Ethos jeweils von uns Menschen entwickelt und ausgehandelt wurde beziehungsweise wird.“

Verbunden in Transzendenz

Sehr deutlich bezieht sich die Atheistische Religionsgesellschaft auch auf Nicht-Gewusstes und Nicht-Erfahrenes und auf Erstrebenswertes (Absatz 4): „Wir erkennen an, dass es vieles gibt, was jeweils jenseits unseres Wissens- beziehungsweise Erfahrungshorizontes liegt, und können die Wirklichkeit dieses Nicht-Gewussten beziehungsweise Nicht-Erfahrenen auch ohne Letztbegründung akzeptieren. Ebenso erkennen wir an, dass es Erstrebenswertes gibt, das jeweils den Horizont dessen, was wir erreicht haben, übersteigt.“ Das bedeutet unter anderem, dass wir nicht in Anspruch nehmen (können), alles zu wissen. Die Frage etwa, woher letztlich alles kommt, ist eine sehr anspruchsvolle und in vielen Aspekten chronisch ungeklärte Frage. Trotzdem können wir versuchen, uns unter den Bedingungen dieser Unvollkommenheit so gut wie möglich zu orientieren. Das ist eine fundamentale Aussage über unser Verhältnis zur Welt. Die Atheistische Religionsgesellschaft sieht uns in vielfältige evolutionäre und historische Prozesse von Evolution, (Kultur-) Geschichte usw. eingebunden (Absatz 5), die weit über uns hinausverweisen und uns – kurz gesagt – jeweils deutlich übersteigen (transzendieren, lateinisch „transcendant“). Es gab einmal Weltzustände ohne uns (als Person, und darüber hinaus auch ohne uns als Menschheit), ja sogar überhaupt ganz ohne Lebewesen. Das, was aus all dem folgt, versucht die Atheistische Religionsgesellschaft sich und anderen nach und nach klarzumachen und religiös aufzuarbeiten.

Dialog

Die Atheistische Religionsgesellschaft versteht ernsthaften, gelebten (inter-) (religiösen) Dialog auch als eine religiöse Aktivität, als einen Ausdruck ihres geistigen Lebens als religiöse Bekenntnisgemeinschaft (Absatz 7): „Dialog mit anderen und andersdenkenden Menschen hilft uns, unser eigenes Leben in einem breiteren Zusammenhang zu sehen und zu verstehen. Indem wir uns auf die Welten anderer Menschen einlassen, transzendieren wir unseren eigenen Erfahrungshorizont.“ Dialog ist dementsprechend sehr wichtig für das religiöse Selbstverständnis der Atheistischen Religionsgesellschaft.

Wilfried Apfalter ist Präsidiumsmitglied der Atheistischen Religionsgesellschaft in Österreich (ARG)


Über Wilfried Apfalter

Ich halte unsere Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich (ARG) für ein in mehrfacher Hinsicht sehr spannendes Projekt und bin fasziniert von dem, was alles möglich ist bzw. sein wird.

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