Dialog im Depot: Religion im Umbruch


Am 9. Dezember 2024 veranstaltete die Atheistische Religionsgesellschaft (ARG) in Zusammenarbeit mit dem Depot (https://depot.or.at) in Wien eine Podiumsdiskussion zum Thema “Atheismus und Religionen im Umbruch”. Dabei ging es besonders um Religionsfreiheit und Religionskritik.

Fatma Akay-Türker ist ehemaliges Mitglied des obersten Rates der islamischen Glaubensgesellschaft in Österreich. Als “Frauensprecherin, die nichts zu sagen hatte”, kritisierte sie die Rolle, die Frauen in dem Gremium spielten, und trat unter Protest zurück. Seitdem engagiert sie sich in der Muslimischen Frauengesellschaft in Österreich (MFGÖ). Auf dem Podium vertrat sie eine Auffassung des Islams, die die Freiwilligkeit in der Religion und die Selbstbestimmung der Frauen vertritt. Sie betonte, als Islamlehrerin von ihren Schülerinnen und Schülern auf wichtige Fragen gestoßen worden zu sein und ihren eigenen Weg von dort aus beschritten zu haben.

Christine Mayr-Lumetzberger, nun Bischöfin (Sanctus Christophorus), ließ sich nach katholischem Ritus zur Priesterin und zur Bischöfin weihen. Von der offiziellen Amtskirche hieß es dazu, sie habe sich mit diesem Akt des Ungehorsams gegenüber dem Vatikan außerhalb der Kirche gestellt und werde als exkommuniziert betrachtet. Mayr-Lumetzberger sieht das eher gelassen: Wenn Gott Priesterinnen haben will, dann soll sie welche bekommen. Und außerdem solle man nicht die Macht des Faktischen unterschätzen: Wenn Frauen einfach als Priesterinnen aktiv werden, wird die Kirche die neue Realität irgendwann zur Kenntnis nehmen müssen.

Nikolaus Bösch-Weiss (ARG) erzählte vom Weg zum Atheismus und von der Bedeutung, die gerade auch Blasphemie dabei haben könne: es ist eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Prägung, die oft durch Bestärkung durch künstlerische Gestaltung und gewitzte Überspitzung erleichtert wird. Bösch-Weiss vertritt einen Atheismus, der sich weltoffen und kritisch mit der Macht von Ritual und Narrativ (Erzählungen) auseinandersetzt. Er sprach davon, dass rituelle Zeit der Beschäftigung mit tieferen Überzeugungen dabei helfen kann, die eigene Persönlichkeit gegenüber den vielen Zwängen des Alltags zu emanzipieren.

Gerald Hödl ist Universitätsprofessor für Religionswissenschaft an der Universität Wien, derzeit im Unruhestand. Er ist Experte für Religion auch im Bereich Hindu-Religionen und afrikanische Religionen. Als solcher betonte er, dass es durchaus Religionen gibt, in denen die Götter sterben können, wenn sie nicht verehrt werden (z.B. in Afrika), und solche, die als Teil der Welt mit den großen Zyklen der Welt auch untergehen können (z.B. Indien). Er plädierte für mehr Toleranz.

Wilfried Apfalter (ARG) hat die Veranstaltung konzipiert und auch die Moderation am Podium übernommen. Nach mehreren Runden auf dem Podium konnte die zweite Stunde der Veranstaltung für Fragen und Austausch mit dem interessierten Publikum genutzt werden.

Wilfried Apfalter, Fatma Akay-Türker, Nikolaus Bösch-Weiss, Christine Mayr-Lumetzberger, Gerald Hödl

Wortmeldungen aus dem Publikum kamen unter anderem von einer evangelischen Fachtheologin, dem Vizepräsidenten des Humanistischen Verbands Österreich, der Vizepräsidentin der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft sowie von einem aus einer islamischen Theokratie geflohenen Atheisten.

Wilfried Apfalter zeigte sich mit der Veranstaltung sehr zufrieden: “Uns war es wichtig, ein wertschätzendes und verbindendes Gespräch zu entwickeln und einen möglichst für uns alle anregenden Abend zu ermöglichen. Und das ist uns, denke ich, wirklich gut gelungen. Darüber freue ich mich sehr. Unser besonderer Dank gilt auch dem Depot-Team für seine wirklich tolle Unterstützung!”

Im Übrigen vertritt die Atheistische Religionsgesellschaft die Meinung, dass die Verweigerung der Eintragung als eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft nicht mit den Werten der Religionsfreiheit und dem Verfassungsgrundsatz der Gleichbehandlung vereinbar ist.

Das Kultusamt und in Folge das Verwaltungsgericht Wien beriefen sich sinngemäß auf Kriterien für “Transzendenz” beziehungsweise “Religion”, die sich deutlich auf das Christentum bzw. theistische Religionen stützen. Damit wird eine Gleichberechtigung atheistischer Religionen ausgeschlossen.

Wir erachten es eben als einen Kern der Religionsfreiheit, die jeweils relevanten Transzendenzbezüge selbst zu wählen. Wenn wir dabei bewusst nicht an ein Weiterleben nach dem Tod glauben beziehungsweise keinen Gott verehren, der die Grenzen der Welt als Ganzes übersteigt, so ist das unsere religiöse Bezugnahme auf die Welt.

Unsere Transzendenzbezüge beziehen sich auf die Erfahrung des Menschen in einer Welt, einem Universum, das in mehrfacher Hinsicht so groß ist, dass es den unmittelbaren Erfahrungsrahmen transzendiert, aber wir glauben nicht an Gottheiten, die darüber hinaus gehen.

Jedem Christen und jeder Muslima steht es frei, das anders zu sehen, und unsere Transzendenzbezüge für sich selbst persönlich abzulehnen.

Die Republik Österreich sehen wir hier in der Pflicht, religiös neutral vorzugehen und jeder religiösen Gruppe selbst zuzugestehen, wie sie ihre Transzendenzbezüge gestaltet. Sofern ein Christ auch in einer Funktion für das Kultusamt oder das Verwaltungsgericht tätig ist, sehen wir ihn in der Pflicht, im Interesse der Republik und ihrer Verfassung zu urteilen, und nicht aus der persönlichen Warte als Christ. Besonders gravierend erscheint mir dabei, dass nicht einmal der Versuch unternommen wurde, unsere Religionslehre in ihren Zusammenhängen zu verstehen. Wir wurden nie wirklich zu unserer Religionslehre befragt, und von uns beigelegte Gutachten wurden nicht entkräftet, sondern vielmehr ignoriert.

Unsere Beschwerde liegt aktuell beim Verwaltungsgerichtshof, und wir hoffen, dass dieser schon bald in unserem Sinne die entsprechenden Entscheidungen aufheben wird.

Link (Youtube): Atheismus und Religionen im Umbruch // Diskussion – YouTube


Über Nikolaus Bösch-Weiss

Seit ca. 10 Jahren ist Nikolaus Bösch-Weiss bei der Atheistischen Religionsgesellschaft. Dabei interessiert er sich sowohl für die theoretischen und philosophischen Verwinklungen , als auch für deren praktische Umsetzung. Als Landbewohner mit Migrationshintergrund aus der Stadt versucht er Brücken zu bauen, und verschiedene Zugänge zusammen zu führen.

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