Erinnerung an Carl Sagan – Teil 1 2


Carl Sagan, der alte Alienversteher, ist jetzt seit 20 Jahren tot. Ja, tot. Er hat selbst nicht daran geglaubt, dass er irgendwo auf einer Wolke auf uns warten wird, oder gar auf uns herunterschaut. Er ist einfach tot. Und dass er damit noch nicht ganz von der Erde verschwunden ist, beweise ich hiermit, indem ich zwanzig Jahre später an ihn denke (ohne ihn persönlich gekannt zu haben) und ihm diese Zeilen widme. Aber wer ist Carl Sagan und warum widmen wir ihm einen zweiteiligen virtuellen Gedenkstein auf unserer Homepage?

Carl Sagan

Carl Sagan

Sagan war Wissenschaftler und Wissensschaftsvermittler. Bekannt wurde er vor allem durch die äußerst erfolgreiche TV-Serie “Unser Kosmos” (Cosmos: A Personal Voyage) von 1980, die kürzlich mit Neil de Grasse Tyson eine zweite Generation erfuhr. Er erreichte auch mit seinen Büchern ein breites Publikum und tat erwies dem Anspruch, wissenschaftliche Erkenntnisse, aber auch die Prozesse die dazu führen einem breiten Publikum zugänglich zu machen, einen unschätzbaren Dienst.

Sagan machte es einem großen Publikum auf interessante Art nachvollziehbar, was die Wissenschaft über den Kosmos im Großen wie im Kleinen zutage förderte, wie fantastisch die Welt ist, wenn man versucht, ihr auf den Grund zu gehen, und wie einfallsreich die Menschen, wenn sie wirklich wollen. Er vermittelte, wieso es wichtig es ist, nicht aufs Geratewohl zu glauben sondern kritisch und forschend an die Welt heran zu treten – und damit ist ein Bezug hergestellt.

Atheisten (im engeren Sinne) sollten wir ihn nicht nennen. Er selbst hatte sich letztlich als Agnostiker bezeichnet, weil eben Gott sich immer hinter dem jeweils Bekannten verstecken könnte, und es einen Glaubensakt (ohne hinreichende Beweise) erforderte, ihn auch dort auszuschließen. Nichtsdestotrotz war er in seiner Lebensführung nicht durch religiöse Denkverbote gebremst, er lebte und forschte allem Anschein nach wie ein praktizierender Atheist. Sein Sohn Dorion meinte einmal über seinen Vater, er habe an den Gott Spinozas und Einsteins geglaubt. – Dieser “Gott” – dieses Gottesbild wird auch “Pantheismus” genannt. Gott wäre demnach die Natur selbst nicht von ihr verschieden. Damit wäre Gott nicht außerhalb der Welt, er wäre die Welt selbst, und die Welt (und alles in ihr) wäre Gott. Auch wenn das Wort dafür “Pantheismus” heißt, wäre diese Position kaum “Theistisch”, es fehlt die Persönlichkeit und Absicht eines “Theos”. Gerade die Vergöttlichung der Natur oder die Vernatürlichung Gottes brachte Spinoza die Verbannung seines (theistischen) Volkes ein. Es wäre nicht in Ordnung, Carl Sagan gegen seinen Willen als Atheisten zu bezeichnen, aber ich denke, ich kann sagen, dass er mit seinen Ansichten bei der Atheistischen Religionsgesellschaft herzlich willkommen wäre.

Wissenschaft oder Wissenschaftsvermittlung?

Die Öffentlichkeit finanziert die Wissenschaft. Sie soll auch wissen, was da passiert. So ähnlich verstand Sagan seinen Auftrag. Und indem er ihn gut erfüllte trug er sicher dazu bei, die öffentliche Meinung zugunsten von Forschung(sausgaben) zu beeinflussen. Wer sich einer aufgeklärten skeptischen Gesellschaft verpflichtet fühlt, kann nicht nur selbst zur Forscherin werden, auch die Vermittlung der Faszination an die Menschen, die letztlich dafür bezahlen ist wichtig. Sagan war beides. Als Astrophysiker war er bei der Erforschung unserer Planeten live dabei, später verlagerte er seine Tätigkeit zunehmend auf das Vermitteln und das Wecken von Interesse. (Wie schlimm ist es, wenn wir Kindern abgewöhnen, die schweren Fragen zu stellen).

Als Astrophysiker hatte Sagan einen recht weiten Horizont und war auch vielseitig interessiert. Er spekulierte unter anderem über mögliche (fliegende) Lebensformen in der Atmosphäre von Jupiter, ebenso wie über die Art und Weise, wie wir mit Aliens auf welcher gemeinsamen Basis der Kommunikation finden könnten. Als Nasa-Berater war er involviert in die Pioneer-Plakette und die Voyager Golden Record. Pioneer und Voyager sind von Menschen erbaute Raumsonden, auf einer Flugbahn aus unserem Sonnensystem hinaus. Beiden wurde eine Art Nachricht der Menschheit mitgegeben. Sagan war beteiligt beim Zusammenstellen dieser Nachrichten nach Inhalt und Form (Wie sollen Aliens die Gebrauchsanweisung der Goldenen Schallplatte lesen können? Wie sollen wir den Aliens unsere Art zu kommunizieren vermitteln? Und welche Inhalte sollen dann auf die Platte selbst kommen?).

Man muss sich in dieses Bild hineinversetzen: Eine von Menschen gebaute Raumsonde (Start: 1977) fliegt zur Venus und lässt sich von deren Gravitation beschleunigen, um schneller an den Rand des Sonnensystems zu kommen. Sie erfüllt ihre Primärmission “Jupiter und Monde beobachten” (1979) und “Saturn und Monde beobachten” (1980). Zehn Jahre später und viele Kilometer weiter draußen (6 Milliarden Kilometer von der Erde) wird sie umgedreht und macht ein Foto von der Erde. Die Erde ist dieser kleine blassblaue Halbpixel, im Bild. Die “Lichtsäulen” ergeben sich aus Reflexionen von der Oberfläche der Sonde, die in die Kamera fallen.

Aus dieser astronomischen Perspektive, aus der das, was unsere Welt ausfüllt zu einem kleinen blauen Punkt schrumpft, aus dieser Perspektive, in der man sich vorstellen können muss, dass es Orte gibt, wo unsere ganze Galaxie, alle mit freiem sichtbaren Sterne unseres Himmels zusammengenommen nicht mehr sichtbar sind, aus dieser Perspektive betrachtete Sagan immer wieder unsere Welt, und brachte diese Gedanken zurück auf die Erde. Er war auch einer der Proponenten der Idee, die Voyager-Sonde möge noch einmal umgedreht werden, um ein letztes Fotoshooting unseres inneren Sonnensystems zu machen. Wissenschaftlich war dabei nicht viel zu gewinnen, die Planeten waren bereits von Sonden (teilweise Voyager selbst) angeflogen worden, die wissenschaftlich gesehen weit wertvollere Messungen heimschickten als dieses Foto aus der Ferne es wäre. Aber Sagan, der eben auch die weltanschauliche Bedeutung von Bildern (und die Kommunikation mit zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit) vor Augen hatte, gelang es mit seinen Verbündeten, die Ressourcen für dieses Shooting bewilligt zu bekommen. Das Ergebnis ist Pale Blue Dot (Blasser Blauer Punkt), eines der wohl beeindruckendsten Fotos der Menschheitsgeschichte.

Unter anderem zu diesem Foto schrieb er dann auch ein Buch, in dem er sich nicht nur wissenschaftlich, sondern auch weltanschaulich mit der Frage beschäftigte, was es bedeutet, sich als Mensch, ja als Menschheit auf einem solch kleinen Punkt im Weltall wieder zu finden. Auch der letzten Episode von Cosmos (Wer spricht für die Erde) betonte Sagan wie wichtig es ist, dass Wissenschaft und Gesellschaft in lebendigem Austausch stehen. Gerade diese gesellschaftliche Betonung seiner Betrachtung der Wissenschaft macht seinen Beitrag so wertvoll.

Abschließend drei Bemerkungen:

Erstens: Sagan war Proponent, jemand der hervorsticht, und in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Er arbeitete meist in Teams, und baute auf den Leistungen unzähliger Zeitgenoss/innen und Vordenker/innen auf. Er hatte das Glück, medial gut anzukommen, und hat diesen Vorteil zu unserem Vorteil gut ausgespielt. Dank und Respekt gilt somit auch allen, die im Hintergrund geblieben sind.

Zweitens: Ich habe diesen Beitrag aufgrund dessen geschrieben, was mir unmittelbar von Sagan bekannt ist, und den Rest mit Wikipedia ergänzt. Ich hoffe, es ist mir gelungen, das Wichtigste einzufangen, und freue mich über Ergänzungen.

Drittens: Dies war der erste Teil unseres Gedenkschwerpunktes an Carl Sagan. Morgen, am 20.12, wenn sich sein Todestag zum zwanzigsten mal jährt, wird für uns Karl Wergler* sein Leben und Wirken noch aus einer anderen Perspektive beleuchten.

Noch ein Hinweis in eigener Sache: Ab 21.12. werden auf dieser Homepage die Beiträge zu unserer Weihnachtchallenge veröffentlicht. Wenn Sie noch einen Beitrag dazu haben, können Sie ihn heute (19.12.) noch bis Mitternacht an office@atheistisch.at schicken.

Quellen:

https://en.wikipedia.org/wiki/Pale_blue_dot
https://en.wikipedia.org/wiki/Carl_Sagan
https://en.wikipedia.org/wiki/Cosmos:_A_Personal_Voyage
http://photojournal.jpl.nasa.gov/catalog/PIA00452
https://www.youtube.com/watch?v=7SQ7JOS0KTo

*Name von der Redaktion geändert


Über Nikolaus Bösch-Weiss

Seit ca. 10 Jahren ist Nikolaus Bösch-Weiss bei der Atheistischen Religionsgesellschaft. Dabei interessiert er sich sowohl für die theoretischen und philosophischen Verwinklungen , als auch für deren praktische Umsetzung. Als Landbewohner mit Migrationshintergrund aus der Stadt versucht er Brücken zu bauen, und verschiedene Zugänge zusammen zu führen.

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2 Gedanken zu “Erinnerung an Carl Sagan – Teil 1