Woran glaubt man eigentlich als Atheist:in? – Ich glaube an ein Leben vor dem Tod. Was nach dem Tod ist, darüber lässt sich scheinbar trefflich streiten, und für viele scheint die Frage nach dem Danach fast wichtiger zu sein als die Frage nach dem Davor.
Mir scheint aber, das Davor ist es, um das wir uns mehr Sorgen machen sollten. Ich denke, dass Tote nicht leiden. Nach allem, was wir wissen, brauchen wir zum Fühlen ein Nervensystem, und das Totsein zeichnet sich dadurch aus, dass dieses Nervensystem nichts mehr tut. Also auch nicht fühlt.
Aber als Lebendige, da fühlen wir. Lasst uns also hier beginnen. Was heißt es eigentlich, zu leben? Die einfache(re) Antwort ist: Stoffwechseln. Atmen, essen, kacken und kopulieren. Diese Antworten sind zwar sicher nicht falsch, und unterscheiden doch weitgehend das Lebendige vom nicht-Lebendigen. Aber würden wir von einem Menschen, der genau das tut sagen: „Schau ihn dir an. Dieser Mensch lebt!“?
Lebendig sein hat für Menschen wohl noch eine größere Bedeutung als einfach nur nicht tot zu sein. Wie viele Worte und Bilder und Erzählungen haben wir für nicht-lebendige Lebende? Nehmen wir das Wort „Smartphone-Zombie“ um darauf anzuspielen, dass man sehr wohl lebendig sein kann, ohne am Leben wirklich teilzunehmen. Die Geschichten von der verlorenen Seele, wo der Körper weiter lebendig bleibt, aber der Geist ihn verlassen hat, kennen wir auch in vielen Formen. Sei es der Pakt mit dem Teufel, der Kuss des Dementors oder der Arbeitsplatz ohne Perspektive.
Ein Leben vor dem Tod, das heißt: Jede:r von uns sollte einen Begriff davon haben: „Was heißt es für mich, lebendig zu sein?“ Welcher Kompromiss zwischen Überleben und gutem Leben ist für mich der richtige? Was bedeutet das gute Leben für mich? Wie tief bin ich im Reich der Notwendigkeit, wie weit im Reich der Freiheit?
Es sind Fragen, die jede:r von uns individuell stellen kann, um für sich selbst den Kurs zu prüfen: – Bin ich auf dem richtigen Weg? Mache ich ungefähr das Richtige mit meinem Leben? – Es sind aber auch Fragen, die gut in der Gruppe zu diskutieren sind, weil man dadurch blinde Flecken beleuchten kann, durch die Rückmeldungen von Anderen Perspektiven einnehmen kann, auf die man alleine keinen Zugriff hätte. Das macht den Dialog so wichtig.
Letztlich können wir aber manche Lebensmodelle nur in einer Gesellschaft verwirklichen. Es geht also immer irgendwie um die Gesellschaft, in die wir eingebettet sind. Demokratie erfordert die Anteilnahme ihrer Bürger:innen. Wenn wir in einer Welt leben wollen, in der jeder Einzelne ein Recht hat, sich mit seinen Ansichten zum Leben vor dem Tod einzubringen, und auch einen gewissen Anspruch stellen kann, gehört zu werden, dann müssen wir auch dafür etwas tun.
Das Leben vor dem Tod muss daher zumindest ein gewisses Maß an Philosophie und Politik enthalten, das ist die Grundbedingung, um alle anderen Wege zu öffnen!
Hallo Nikolaus,
Ich bin hier als Christ sicher nicht die Zielgruppe für diese Website, aber es interessiert mich immer, wie Atheisten so denken. Ich habe hier zwei Anmerkungen zu deinem Text:
• Über ein Leben nach dem Tod möchte ich nicht streiten, das können wir abwarten. Ich habe aber keine Zweifel, dass es nach dem irdischen Tod erst so richtig los geht. Für Looser wird es dann allerdings nicht sehr angenehm.
• Weil die Ewigkeit etwas länger dauert als die paar Jährchen hier auf der Erde ist es auch verständlich, dass mir das Danach etwas wichtiger ist als das Davor. Damit möchte ich das Davor nicht kleinreden, sondern nur die daraus resultierende Perspektive aufzeigen.
Was den Kurs betrifft, also ob ich auf dem richtigen Weg bin, habe ich als Christ kein Problem. Da gibt es klare Anweisungen.
Franz